Watzmannüberschreitung



Heute geht es von München aus in die von jährlich 1,6 Millionen Menschen besuchten Berchtesgadener Alpen. Da Regen und Gewitter mit einer Hochgebirgstour nicht gut vereinbar ist, musste ich meine erste Watzmannüberschreitung bereits einmal verschieben. Für dieses Wochenende hat der Wetterbericht grünes Licht gegeben und das Watzmannhaus hatte kurzfristig noch den letzten freien Schlafplatz im Matratzenlager für mich. Das ist wichtig, denn ohne Reservierung ist eine Übernachtung auf dieser Schützhütte des Deutschen Alpenvereins (Sektionen München und Oberbayern) nicht möglich, die mit ihren über 200 Schlafplätzen eine der größeren und meistbesuchten Hütten der Berchtesgadener Alpen ist. Der Ramsauer Extremsportler Toni Palzer hat im Juni 2020 gerade mal 2:47 Stunden für seine 23 km-Watzmann-Überschreitung benötigt. Mit der heutigen Erfahrung ist das so etwas von unverstellbar.

Nach 1:45 Std. komme ich mit dem Auto am Parkplatz an der Parkplatz an der Wimbachbrücke an. Da dieser hoffnungslos überfüllt ist, muss ich den Ausweichparkplatz einige hundert Meter Richtung Ramsau nehmen. Die nach der Sage versteinerte Familie des Königs Watzmann in ihrer vollen Schönheit im Süden bereits auch von hier sichtbar.

Ich freue mich, wieder einmal in den 210 Quadratkilometer großen Nationalpark Berchtesgaden zu kommen, Deutschlands einzigen Alpennationalpark. 

Am Samstag benötige ich für den Aufstieg von der Wimbachbrücke (628 m) zum Watzmannhaus (1.930 m)  über die  Wimbachklamm sowie die Stuben- (1.145 m) , Mitterkas- (1.420 m) und Falzalm (1.650 m) bei sonnigem Wetter ca 2:30 Stunden. Die letzten Meter auf den Falzköpf zum Watzmannhaus, auf den Dank der Einrichtung des Nationalpark Berchtesgaden 1978 keine Seilbahn gebaut wurde, geht es weiter konstant steil hinauf. Gebaut wurde 1960 nur eine Materialseilbahn, nachdem bis dahin Mulis für die Versorgung der 1887 zuerst errichteten und zwischen 1908 und 1911 in der heutigen Grundform (damals 132 Schlafplätzen) neu erbauten Schutzhütte eingesetzt wurden. Die heutige ca. 7,5 km lange Etappe mit ca. 1.250 Höhenmetern (angegebene Gehzeit: 4:30 Std. ab Ende der Klamm) ist geschafft und damit der Einstieg in den vielleicht schönsten Berg Deutschlands. Kurz unterhalb des an der windausgesetzten Außenkante des Plateaus an der Watzmann-Nordflanke, an der das Watzmannhaus so lavinen- und steinschlagsichere erbaut wurde, habe ich die Baumgrenze passiert.

Während ich auf der Hütte sitze und mir auf der Terrasse ein warmes Essen schmecken lasse, fliegen erste Hubschrauber Richtung Watzmann-Mittelspitze: Hoffentlich nur eine Übung, denke ich mir. Es wird aber nicht der letzte Hubschrauber an diesem Nachmittag sein. Die Aussicht lässt keinen Blick auf den Königssee zu, dafür auf den Grünstein über Schönau am Königssee mit seinem Klettersteig.

Ab 15:00 Uhr läuft die Anmeldung und ich kann meiner Lagernachbarin gleich vorab abkündigen, dass ich einen sehr frühen Start plane. Die Übernachtung im Lager als erwachsenes DAV-Mitglied kostet mich heute 15 €. Das Auffüllen der Wasserflaschen kann für 2 € erfolgen. Es gibt wenig Mobilempfang und damit nur Barzahlung. Da ich einen Aufbruch vor dem Frühstück schon eingeplant hatte, habe ich Proviant und Trinken für den zweiten Tag gleich den Berg mit hochgebracht. Die Wasserversorgung der Hütte erfolgt über Zisterne oberhalb des Plateaus, in der immer geringer werdende Schneeschmelzwassermengen aufgefangen werden und die insbesondere für den Betrieb der Wasch-und Sanitärräume wichtig ist. Eine Dusche findet man als Gast dieser Hütte aufgrund des allgemeinen Erfordernisses zum Wassersparen vergeblich und auch die Wassermenge am Wasserhahn in den Waschräumen ist voll auf Wassersparen eingestellt.

Vorm Abendessen scheinen sich die drei einzigen auf der Hütte, die allein unterwegs sind, gefunden zu haben. Im Gespräch auf der Terrasse wird dann der Entschluss gefasst, dass Isabell und ich gemeinsam die Überschreitung angehen werden und Marianne ihre 4-tägige Watzmannumrundung fortsetzen wird.

Unsere Watzmannüberschreitung, die 1868 durch den Bergführer Johann Grill das erste Mal erfolge, beginnt um 5:00 Uhr mit dem Anstieg zum Hocheck (2.651 m, angeschriene Gehzeit 3:00 Std.) : Das ist der Start auf unsere heutige, mit insgesamt ca. 13 Stunden ausgeschrieben Tour. Wir sind bei weitem nicht die ersten auf diesem Weg, denn bereits ab 2:00 Uhr hat man Lichter sich am Hang hinaufschlängeln sehen können. Die Morgendämmerung gibt uns genug Licht, sodass wir bereits ohne Stirnlampe gehen können, was auch das Auffinden der Wegmarkierungen deutlich einfacher macht und was uns einen Blick in wunderschönem Licht auf die vier Watzmannkinder neben der Watzmannfrau (Kleiner Watzmann) sowie auf den über den in Wolken verhangenen Königssee schenkt.

Nach einem kurzen Frühstück auf dem Gipfel machen wir uns, auf zum nächsten Etappenziel, der Watzmann-Mittelspitze (2.713 m) . Gleich nach der Biwakschachel am Gipfel des Hocheck wird klar, dass wir ab jetzt den Wanderweg mit zum Teil losen Gerölluntergrund verlassen und ab jetzt Helm und Handschuhe für das Gehen im Fels und an den mit Drahtseil gesicherten schwierigen Stellen brauchen werden. Wer nicht schwindelfrei, trittsicher und konditionell fit ist, sollte unbedingt an dieser Stelle umkehren, haben wir immer wieder gelesen. Sie sollen recht behalten. Wir machen unsere Tour bei warmen, aber besten Wetterbedingungen und ich bin froh, zu zweit in diesem Gelände unterwegs zu sein. Mit einer weiteren Stunde ist diese Wegpassage angegeben. Wir kommen gut und sicher voran und haben Spaß am Gehen in diesem körperlich und den Verstand fordernden Gelände. Wir werden von vielen überholt, die einfach schneller unterwegs sind. Auf ein Verweilen auf der Mittelspitze verzichten wir aufgrund des geringen Platzangebots am Gipfel. Und auch heute fliegen wieder Hubschrauber an der Westflanke des Watzmanns.

Zwischen Mittelspitze und Watzmann-Südspitze (2.712 m) nimmt der Schwierigkeitsgrad noch einmal zu. Wir werden wir Kletterstellen bis zum II. Grad zu bewältigen haben. Auch die ausgesetzten Stellen nehmen zu und fordern weiter volle Konzentration bei jedem Schritt. Für diese ca. 800 Meter Wegdistanz sind 2:30 Stunden angeschrieben. Wir versuchen zwischendurch den Blick auf Sankt Bartholomä am Königssee und die Ostwand sicher stehend zu genießen, die die längste Wand der bayerischen Ostalpen für den Bergsport ist und die 1881 durch bereits erwähnten Johann Grill erstbestiegen wurde. 

Wir kommen nach 6 Stunden sicher an der Südspitze an und treffen unter dem Gipfelkreuz einige bekannte Gesichter von unterwegs und Seilschaften, die die Ostwand hinaufgekommen sind. Das Foto am Kreuz ist hier für alle „Pflicht“. Für uns eine willkommene Gelegenheit, uns auf diesem Riff eines uhrzeitlichen tropischen Meeres zu stärken und ein etwas zu rasten, während uns eine Hand voll Dohlen Gesellschaft leisten. Gämsen oder Steinböcke haben wir und werden wir auch nicht mehr auf unserer heutigen Tour sehen.

Nun können wir auf den in der Vorbereitung zur Tour bereits als unendlich lange und kräftezehrende beschriebenen Abstieg über die Nordflanke des Watzmannmassivs aufbrechen. Dieser ca. 3 km lange 1.200 m-Abschied führt uns über das Geröllfeld des Schönfeldgrabens bis hinunter zum Wimbachgries und wird uns die letzte Kondition abverlangen. Das Highlight ist das Schild „Wasser“, was eine gut erreichbare Stelle zum Auffüllen der Wasservorräte und zum Abkühlen am Berg ausweist. Allein ist man hier sicher nicht. Die auf der Südseite konstant herunterbrennende Mittagssonne hat zu diesem Zeitpunkt sicher ihren Anteil an unserem Konditionsabbau. Wir erreichen schließlich aber doch das Naturfreundehaus Wimbachgrieshütte nach ca. 12 Stunden. Hier freuen wir uns über eine freudige Überraschung eines unerwarteten Wiedersehens mit Marianne, die hier heute Station macht. Isabell beschließt das Beste aus dem noch anstehenden Urlaubstag zu machen, und verschiebt den weiteren Abstieg auf den morgigen Tag.

Ich begebe mich nach einer kurzen Pause zum notdürftigen Auftanken der Kälte auf den ca. 10 km langen 1.400m-Abstieg über das Wimbachgries zwischen Watzmann auf der einen und dem Hochkalter (2.608 m) und Schärtenspitze (1.791 m) auf der anderen Seite. Zunächst geht der Weg über die Fahrspur auf dem Gries, bis dieser dann neben dem Flussbett über die Gaststätte Wimbachschloss und die Wimbachklamm bis zum Parkplatz an der Wimbachbrücke weitergeführt wird. Nach fast genau 15 Stunden komme ich am Auto an. Sehr anstrengende ca. 17 km und viele Höhenmeter (ca. 1.150 m auf, ca. 2.400 m ab) liegen heute hinter mir.

Ich verabschiede mich mit Blick auf das Watzmannhaus im Abendlicht von dem Berg, der mir alles abverlangt hat, während ich die Ramsauer Ache zum Parkplatz gehe. Wenn der Muskelkater in meinen Oberschenkeln nachgelassen hat, werde ich mich auch sicher wieder auf die noch anstehende Wanderung mit der Familie über dem Ost- und Südufer des Königssees sowie den geplanten Besuch des Klettersteigs am Grünsteig mit einem Freund freuen.

Auf der Heimfahrt muss ich dann im Radio hören, dass wir uns leider in der Annahme getäuscht hatten, dass die Hubschrauber Übungsflüge absolvieren. Der auf der Hütte vermisste Wanderer ist bereits am Donnerstag nach Absturz bei widrigeren Wetterbedingungen an der Westflanke tödlich verunglückt und konnte erst am Sontag nach Eingang einer Vermisstenmeldung von der Bergwacht gefunden und geboren werden. Nach meinen frischen Erlebnissen sind meine Gedanken ganz besonders bei den Angehörigen und Freunden dieses Wanders.

Ich bin froh, die Gelegenheit gehabt zu haben, diese Tour bei besten Wetterbedingungen und in Begleitung machen zu können. Jede Seilsicherung sowie jeder Griff und jeder Tritt im Fels, die wir heute genutzt haben, sind nicht ausgebrochen, das Gehtempo war für uns angemessen und auch mit der Höhe sind wir zurecht gekommen. Der Abstieg in der fast vollständig schattenlosen Watzmann-Nordflanke hat uns dennoch mehr als die letzten Kräfte geraubt. Danke an DAV-Sektion Berchtesgaden für die immer zuverlässigen Seilsicherungen und an meine vorab unerwartete Wanderbegleitung für diesen Tag.
Das Resümee: Ohne Schwindelfreiheit, ohne Freiheit von Höhenangst, ohne gute Trittsicherheit, ohne Erfahrung am Berg sowie ohne Begleitung, ohne gutes Wetter und sehr gute Kondition sollte man diese Tour nicht unternehmen. Aber dann kann der Watzmann zum schönsten Berg für einen Wanderer werden.

Hier kann man selbst einen Blick auf die Tour werfen: Link zu Mediathek von Bergauf-Bergab

KÖNIGSSEE – Rinnkendel-Steig und Grünstein


Nachdem wir am Parkplatz an der Touristeninformation in Königssee (602 m) geparkt haben, nehmen wir eine der frühen Boote der Bayerischen Seeschiffahrtsgesellschaft am Bootsausleger, den wir nach kurzem Fussweg vom Parkplatz erreichen.

Ein Teil der Gruppe macht sich von hier aus an den Aufstieg am Grünstein bzw. zur Achernkanzel. Ein Treffen ist bereits für Mittag besprochen.

Die von den Bootsleuten mit einem kurzen Vortrag von Fakten und Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart sowie dem Trompetenspiel des Kapitäns zur Demonstration des berühmten Echos am See sehr kurzweilig gehaltene Überfahrt mit dem vollbesetzten Elektronoot über den 8 km langen und bis 190 m tiefen Königssee nach Sankt Batholomä gewährt uns schöne Aussichten auf den im Jura geformten tektonischen Grabenbruch. Darin hat sich nach Ende der Eissteinzeit der heutige See mit seinen steilen Felswänden am Ufer und den am Horizont stehenden massiven Berggipfeln und Felsmassiven gebildet.

Unter der Bezeichnung Chunigesee wurde der heute vollständig im Besitz des Freistaates Bayern befindliche See bereits im Jahr 1134 urkundlich erwähnt. Er ist einer der großen touristischen Besuchermagnete im Bayern und ist ein durch Fischerei-, Freizeit- und Befahrungsvorschriften streng geschützter Teil des ca. 21.000 Hektar großen Nationalpark Berchtesgaden mit seinen über 250 km Wegenetz und Steigen. Teile des Nationalparks sind zudem UNESCO Biosphären-Region. Das Wasser glasklar. Am Ufer bilden sich in den flacheren Abschnitten des Sees grün-blaue Farbverläufe bis der See in seine Tiefen abstürzt.

Wir erreichen nach einem kurzen Zwischenstopp am Bedarfsanleger Kessel, an dem wir Wanderer am Südufer für Ihren Aufstieg zur Gotzenalm absetzen, den Anleger von Sankt Batholomä, wo neben der Wallfahrtskirche ein Gaststätte und ein Fischereibetrieb angesiedelt sind. Der Fischer verfügt über die einzige vergebene, als Familienrecht urkundlich verbriefte Fischereilizenz auf dem Königssee. Die Wirts- und die Fischereifamilie sind die zudem die einzigen die auf Sankt Batholomä übernachten dürfen. Eine Ausnahme davon stellt das Ostwandlager der DAV Sektion Berchtesgaden mit seinen 30 Schlafplätzen dar, das von Juni bis Oktober als „Basislager“ für das die Besteigung der Watzmann Ostwand dienen darf.

Wir schenken der Eiskapelle, dem Kiesstrand oder den Schrainbach Wasserfällen heute keinen Besuch und folgen dem Alpenvereinsweg 443, der uns erst entlang des Seeufers und dann über den stellenweise mit Dahtseilen und Metalltritten gesicherten und als Bergsteiger der Kategorie A klassifizierten Rinnkendel-Steig führt. Mit seinen schönen Aussichten in die Tiefen des Königssee und die Höhen des Alpenpanoramas ein sehr reizvoller Aufstieg zu der an der Spitze der Achernwand gelegenen Aussichtsplattform, der Achernkanzel (1.346 m). Die Kinder konnten auf dem Rinnkendel-Steig relativ gefahrenlos das erste Mal das Anlegen und die Nutzung des Klettersteigsets ausprobieren. Die Achernkanzel ist bequem über den Weg von der Kuhrointalm (1325 m) erreichbar, wo wir die andere Hälfte unserer Gruppe zum Mittagessen mit Blick auf das Bergmassiv des Watzmans und dessen umgebende Gipfel wieder treffen. Unsere fast aufgebrauchten Wasservorräte können wir am Brunnen kostenlos und einfach wieder füllen.

Den Watzmann im Rücken machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Grünstein (1.304 m). Am Ende des dort ankommenden Klettersteigs wissen wir, dass wir diesen Gipfel bald auch auf dieser Route erklimmen werden. Vor dem Abstieg nach Königssee machen wir noch einen Zwischenstopp in der Grünsteinhütte (1.220 m), auf der wir sehr freundlich empfangen werden. Die Akkus der Kinder sind schnell wider voll aufgefüllt. Über einen steilen Wanderweg über Treppen, Wurzeln und Steine geht es dann Richtung See. Wir treffen eine Gruppe Mädels, die sich gerade am Einstieg in den Grünsteinklettersteig (900 m), der Varianten der Schwierigkeit bis Kategorie C oder E erlaubt, auf ihren 2- bis 3-stündigen Aufstieg vorbereiten. Die letzten Kilometer auf der Forststraße verlagen dann vorsichtiges Gehen, da hier sehr steile Wegabschnitte auf losem Schotteruntergrund gemeistert wollen. Danach geht es ein Stück entlang der durch einen Erdrutsch im Jahr 2021 teilweise stark beschädigten Bob- und Rodelbahn, die im Jahr 1959 erbau wurde und seit 1968 weltweit die erste Kunsteisbahn ist. Der Betrieb des Bundesleistungszentrums ist entsprechend derzeit unterbrochen. Anschließend machen wir unsere letzten Meter über das Schleusenwehr am Ende des Königssee zurück zum Parkplatz.

Fazit:
Eine tagesfüllende Tour mit ca. 2000 Höhenmetern für jung und erwachsen, die uns über viele Stecken über abwechslungsreiche Waldwege im schattenspendender Bewaldung führte und Highlights wie Bergsteig, Gipfel und fantastische Aussichten nach oben und unten bieten kann. Darüber hinaus macht sie gleich Lust auf mehrere weitere Touren in der Region, z.B. zur Gotzenalm, zum Watzmannhaus oder auf den Grünsteinklettersteig.

Der Rinnkendel-Steig unterfordert Klettersteiggeher, die sich wirkliches Klettersteig-Feeling erwarten.