Auf dem Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran
Der europäische Fernwanderweg E5 wurde 1972 eröffnet und verläuft zwischen Pointe du Ranz in Frankreich und dem italienischen Venedig. Er verbindet über die 2.900 km lange Wegstrecke den Atlantik mit dem Mittelmeer und ist nur einer der insgesamt 12 von der Europäischen Wandervereinigung eingerichteten, die ganze EU überspannenden Fernwanderwege. Die Teilstrecke des E5 zwischen Konstanz und Venedig wurde von dem Sonthofener Hans Schmidt konzipiert, der 1969 in neun Tagen vom Allgäu zu seinem Urlaubsort bei Bozen gewandert war.
Als Gruppe aus drei Ü40ern und drei Kindern zwischen 10 und 13 Jahren geht es von Markt Oberstdorf (D) über das Lech-, Inn-, Pitz- und Venter Tal (A) nach Veragt bzw. Meran (I) auf ein Teilstück dieses Fernwanderweges. Dabei werden ca. 95 km gegangen und ca. 13.700 Höhenmeter überwunden. Die längeren Abschnitte in den Tälern, die aufgrund der kinderfreundlichen Routenplanung, abweichend vom Fernwanderweg E5, notwendig sind, werden mit öffentlichen Bussen zurückgelegt.
Kondition, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sollen Grundvoraussetzungen für diese Tour sein. Wir haben, jeder für sich individuell, noch ganz andere, sehr verschiedene Herausforderungen ausgemacht, die es gilt zu bewältigen.
Da wir unsere Siebensachen alle bergauf und bergab durch drei Länder tragen, müssen wir einen minimalistisch Packansatz wählen und zusehen, dass wir uns für alle Gegebenheiten und Wetterlagen gut rüsten.
ETAPPE
Die Vorbereitung und der Start- Alpe Eschbach (Markt Oberstdorf) – Rappenseehütte
- Rappenseehütte – Holzgau – Madau
- Madau – Ansbacher Hütte
- Ansbacher Hütte – Schnann – Skihütte Zams
- Skihütte Zams – Glanderpitze – Wenns – Mandarfen (Pitztal)
- Mandarfen (Pitztal) – Braunschweiger Hütte
- Braunschweiger Hütte – Venter Panoramerweg – Vent
- Vent – Martin-Busch-Hütte
- Martin-Busch-Hütte – Similaunhütte – Vernagt – Meran
- Am Ziel
DIE VORBEREITUNG & DER START
Für eine solide Routen- und Ausrüstungsplanung gibt es in Print- und Onlinemedien ausreichend Informationen. Die Wahl eines günstigen Startdatums und die Buchung der Unterkünfte stellt andere Anforderungen an die persönliche Ausdauer und die Nerven. Das Startdatum wählen wir so, dass wir mit den vielen geführten Touren auf der E5-Route möglichst nicht um die Schlafplätze auf den Hütten konkurrieren müssen. Wir müssen dennoch die Route anpassen, da gleich die Kemptner Hütte als erste eigentlich vorgesehene Unterkunft trotz sechsmonatiger Buchung im Voraus hoffnungslos ausgebucht ist. Zu guter Letzt haben wir an allen Etappenzielen Übernachtungen buchen können.
Zu hoffen bleibt nur noch auf eine möglichst trockene Wetterlage ohne Gewitter und auf gute Gesundheit aller im Team. Um so näher der Start rückt, desto kürzer sind die Intervalle zwischen den Blicken auf die Wettervorschau.
Eine Woche vor dem Start geht unser Paket mit den bequemen Schuhen und den Stadtklamotten nach Meran auf den Weg. Wir werden es dann in zweieinhalb Wochen in Meran einholen und es im Paketshop abholen. Die Vorhut ist damit unterwegs, unsere Tour hat quasi begonnen.
Aus dem letzten Tag zuhause machen wir das Beste, genießen noch einmal die Füße hochzulegen und gemütlich einen 2. Kaffee bei einem Brunch im Garten trinken zu können. Innerlich kribbelt es bereits zunehmend, während die letzten Vorbereitungen und das Packen der Rücksäcke finalisiert werden. (-> Packliste)
Früh am Morgen geht es dann endlich auch für uns selbst mit dem Zug ab München und dem wunderbaren Blick aus dem Zugfenster Richtung Süden auf das Gipfelpanorama der bayerischen Westalpen und der Allgäuer Alpen los. Vom Busbahnhof in Oberstdorf sehen wir bereits das Stillachtal mit den Gipfeln des Linkerskopf (2.459 m), des Rappenseekopf (2.496 m) und des Hochrappenkopf (2.424 m), zwischen denen unser erstes Etappenziel liegt. Ab Oberstdorf fahren wir mit dem Bus der Linie 7 zum Startpunkt unser Neun-Tage-Wanderung, vorbei an der Skiflugschanze unterhalb des Freibersees.
Die Vorfreude ist bei allen spürbar, die Anfahrt sehr entspannt. Soweit nötig und möglich wird noch ein wenig Schlaf von der letzten kurzen Nacht nachgeholt oder bereits erste Notizen im Reisetagebuch vermerkt.
HÄUFIG GENUTZTE APPS
Karten-Apps von komoot und Alpenvereinaktiv- Wetterapp bergfex: Wettervorhersagen mit 3-Std.-Fenstern
- DB Navigator: Öffentliche Verkehrsmittel Deutschland und Fernverkehr europaweit
- ÖBB Scotty: Öffentliche Verkehrsmittel in Österreich
- südtirolmobil: Öffentliche Verkehrsmittel in Südtirol, Italien
DIE ERSTE ETAPPE
Alpe Eschbach (Markt Oberstdorf) – Rappenseehütte
Montag, 15.08.2022 – 8 km, ↑ 1.110 m,
unsere Gehzeit: ca. 4,5 Std. zzgl. 1 Std. für Hüttenbesuche
WEGBESCHREIBUNG:
Im Stillachtal an der Bushaltestelle Alpe Eschbach steigen wir aus und gehen erst einmal hinunter zur Stillach, um dort einen Stein aufzusammeln, der ohne unser Zutun über Iller und Donau vielleicht irgendwann im Schwarzen Meer gelandet wäre. Wir übernehmen damit einen Brauch der Rennsteigläufer aus Thüringen, die von der Werra und zur Saale laufen, und werden den Stein an unsrem Ziel in den Passen werfen, von wo er sich dann in die Etsch und anschließend südlich vom Venedig ins Mittelmeer südlich von Venedig tragen lassen kann.
Das Wetter ist leider bewölkt und für den Nachmittag wird Regen vorhergesagt. Deshalb müssen wir versuchen, möglichst vorher schon auf der Rappenseehütte anzukommen. Da wir das erste Mal mit vollem Gepäck gehen, wird das sehr wahrscheinlich zur Herausforderung.
Die Sennalpe Eschbach (949 m) stellt aus ca. 400 l Milch jeden Tag zwei Laib Bergkäse her und vertreibt die erzeugten Käse auch direkt ab Hof. Wir werden heute aufgrund des zu erwartenden Wetterumschwungs auf einen Besuch verzichten und uns nicht mit lokalem Proviant für den nächsten Tag einzudecken.
Mit dem Aufstieg zur Rappenseehütte beginnen wir mit dem Einstieg in die Allgäuer Alpen, die Teil der nördlichen Kalkalpen, auch Ostalpen genannt, sind. Kennzeichnend für die Allgäuer Alpen sind die Grasberge mit Neigungswinkeln von bis zu 70 Grad, eine für die Alpen sehr vielfältige Flora und eine überdurchschnittliche Erschließung durch Seilbahnen und Wege. Das können wir bis zum Ende des Tages auch alles genauso erfahren.
Wir folgen zunächst dem Stillachtal und wählen die angeschriebene Route zur Rappenseehütte. Hier zweigen wir von dem Erschließungsstraße über die Terrasse des Gasthofs Einödsbach auf den schmalen Wanderweg ab, der uns im weiteren Verlauf über den bewaldeten Nordwesthang des Habaun (2.000 m) führt.
Bevor wir auf 1.296 m die denkmalgeschützte, bereits 1832 urkundlich erwähnte Petersalpe erreichen, passieren wir die Baumgrenze. Seit der Errichtung des Anbaus in 2021 stellt die Sennerfamilie nach 50 Jahren hier auch wieder Käse, Joghurt und Buttermilch aus der Milch der Pensionskühe in ihrer Alpenkäserei her. Mit der bei milchverarbeitenden Produktion abfallende Molke werden auf der Alm Schweine gehalten. Wir kehren für ein Getränk ein und nehmen uns noch etwas Käse mit, nachdem die Bewölkung zunehmend auffrisst.
Wir kreuzen die Grasflächen der Alpe und steigen steil zur Enzianhütte (1.804 m) auf, deren Materialseilbahn im Tal direkt neben der der Rappenseehütte an die Versorgungsstraße angebunden ist und die mit ihrem Seminar- und Wellnessangebot für sich wirbt.
Unser Weg führt uns weiter über den Hang des Linkerskopf (2.459 m), der durchzogen von durch lokale Quellen gespeisten Bächen ist.
Nach einer Stunde erreichen wir unser erstes Etappenziel, die oberhalb des kleinen Rappensees erbaute Rappenseehütte (2.091 m). Diese Schutzhütte der Sektion Kempten des Deutschen Alpenvereins mit 272 Schlafplätzen liegt nördlich einer Karmulde, die umgeben ist von den Gipfeln des des nördlich gelegenen Seebichl (2.111 m), des nordöstlich gelegenen Linkerskopf sowie der südlich gelegenen Rotgrundspitze (2.486 m), der Hochgrundspitze (2.460 m), des Rappenseekopf (2.469 m), des Hochrappenkopf (2.424 m) und des Rappenköpfle (2.276 m). Letztere fünf Berge sind bereits Bestandteil des zentralen Hauptkamms der Allgäuer Alpen und bilden die nahe deutsch-österreiche Grenze. Der 240 m lange, 150 m breite und je nach Wasserstand bis zu 8 m tiefe Rappensee (2.047 m) ist der Hauptsee dieser Karmulde mit mehreren Seen. Er wird über den Rappenalpenbach entwässert, den wir bei unserem Aufstieg bereits zweimal überquert hatten.
Unser Blick fällt von der Hütte aber nicht nur auf diese von nahen Gipfeln und Seen geprägte Landschaft der Karmulde, sondern auch über die steil abfallende Geländekante nördlich der Hütte in Richtung des darunter gelegenen Stillachtals, von wo wir heute Vormittag aufgebrochen waren, mit der Gipfelkette des Fellhorn (2.038 m), des Söllerkopf (1.940 m) und des Söllereck (1.706 m) im Hintergund. Die Fernsicht nach Westen begrenzt heute die Schafalpenkopfgruppe mit dem Kemptner Kopf (2.193 m) sowie dem Südlichen (2.273 m), Mittleren (2.301m) und Höchsten Schafalpenkopf (2.321 m).
Nachdem wir ein Zimmer mit sechs Betten ergattern konnten, sind wir froh, dass wir nicht Schlafplätze im Lager beziehen müssen: In Corona-Zeiten ist es dann doch schön, als eine Gruppe hier unter sich zu sein. Der Hüttenwirt und sein Team sind alle sehr freundlich und die Kinder machen sich gefühlt die ganze Hütte und vor allem unser Zimmer eigen. Das Essen ist einfach lecker und die Gästestub‘n ist mit den beiden Räumen so groß, dass alle einen Platz zu finden scheinen.
Am Abend merken wir, dass der Wetterbericht nicht gelogen hat: Ein Gewitter mit Hagel und ordentlichen Regengüssen einschließlich Vollvernebelung der Hütte bildet den Abschluss des Tages, während wir in der Hütte unser Abendessen genießen.
DIE ZWEITE ETAPPE
Rappenseehütte – Holzgau – Madau
Dienstag, 16.08.2022 – 13 km, ↑ 550 m / ↓ 1.500 m,
unsere Gehzeit: ca. 9 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Gut geschlafen, gut gefrühstückt, Wasservorräte aufgefüllt … so beginnt der nächste Morgen. Die gestern noch dominanten Wolken sind einem strahlend blauen Himmel gewichen, der sich von den zum Greifen nahen Gipfelpanorama vor der Terrasse der Rappenseehütte durch sein durchgefärbtes Hellbau absetzt.
Wir brechen auf und erreichen die zwischen der Hochgrundspitze und Rotgeundspitze liegenden Großen Steinscharte gerade als die Sonne buchstäblich um die Ecke des Wilden Mannes (2.576 m) schaut. Auf den sonnenzugewandten Hängen der Hochgrundspitze sehen wir unsere ersten, sich in der Morgensonne aufwämenden Steinböcke. Wir sind erstaunt, wie viele der anderen Wanderer an diesen Tieren vorbeigehen, ohne die zu bemerken.
Von dort machen wir uns dann auf in die Wand, die uns hoch zur kleinen Steinscharte (2.531 m) führt. Dabei gegen wir die ersten Meter des stark begangenen Heibronner Höhenwanderweges, einschließlich des berühmten „Gatterls“. Die Aussicht von der Kleinen Steinscharte ist unglaublich schön, besonders in den Morgenstunden, in denen die Sonne noch tief steht: Im Osten dominiert die Sicht auf die grauen, schroffen Felsen sowie die Schneelöcher, in denen noch die wießen Reste des Winters liegen, während im Westen das Grün der Wiesen im Schochenalptal intensiv in der Morgensonne leuchtet.
Dachten wir, dass die Graxelei und die Überwindung der Kamine schon herausfordernd genug für heute war, werden wir an der Kleinen Steinscharte eines besseren belehrt: Der Abstieg im 2 bis 3 Meter langen Kamin funktioniert nur ohne Rücksäcke und mit besonderer Sicherung der Kinder durch die Erwachsenen. Diese meistern alles aber ohne Sicherungsseil etc. sehr gut. Uns gelingt damit die Überquerung des Allgäuer Alpenhauptkamms. Diese Stelle überwunden und glücklich mit der Erwartung einer einfacheren Wegführung, geht es in das steile und lange Geröllfeld, das die heute schon erweiterten individuellen Erfahrungsgrenzen noch weiter verschieben wird: Den Abstieg über dieses Geröllfeld kann man nicht mit gutem Gewissen Familien mit Kindern in unserem Alter empfehlen! Es war ein langer Informations- und Abwägungsprozess im Rahmen der Tourenplanung vorausgegangen, der uns dann zu dieser Routenwahl bewogen hatte. Wir haben es dann in Zweiergruppen aus Kind und Erwachsenen mit sehr viel Einsatz von Zeit, Kraft und Mut geschafft und waren froh, als alle unten heil und gesund angekommen waren.
Das jetzt vor uns liegende einsame Schochenalptal belohnt jedoch für alles. Umgeben von der südlich gelegen Peischelgruppe, bestehend aus der Peischelspitze (2517), der Waldnahdspitze (2.486 m), dem Mutterkopf (2.431 m) und der Rotnase (2.121 m), und dem nördlich gelegen Hauptkamm der Allgäuer Alpen mit Steinscharzenkopf (2.615 m), Wilder Mann (2.578 m), Bockkarkopf (2.609 m), Hochfrottspitze (2.649 m), Mädelegabel (2.644 m) und Kratzer (2.428 m) ist dieses Tal eines der einsamsten und unberührtes Fleckchen Erde, denen ich in Alpen bisher begegnet bin. Das I-Düpferl für die Kinder sind dann noch die vielen Murmeltiere, die wir im mittleren Teil sehen konnten, und die mitgebrachte Brotzeit mit Blick in das uns umgebende Gipfelpanorama. Die Wanderer, die auf dem Heilbronner Höhenwanderweg zwischen Kemptner Hütte und Rappenseehütte gehen, sehen wir wie bunte Ameisen entlang der Gipfel des Hauptkamms gehen. Der in wesentlichen Teilen über Wiesen führende Weg gibt den Blick frei auf den Schochenalpsee (1.970 m) und die Grundmauern der Hinteren Schochenalpe (1.832 m) und der Mittleren Schochenalpe (1.578 m). Nach der heute noch mit Bewirtung genutzten, neben einem langem Wasserfall gelegenen Unteren Rußgumpen Alpe (1.320 m) biegen wir Richtung Holzgau in das Tal des Höhenbachs ab, das an seiner östlichen Seite mit den Steilgrasbergen Jöcklspitze (2.226 m), Rothirn (2.389 m), und Strahlkopf (2.389 m) auf dem Seitenkamms zum Hauptkamm der Allgäuer Hauptalpen eingesäumt ist.
Wir kehren im Café Uta ein, bevor wir über die 110 Meter lange und über der Höhenbachtalschlucht errichtete Holzgauer Seilhängebrücke, die Österreichs längste kostenlos zugängliche Hängebrücke und Teil des Route des neuen Lechweges ist, nach Holzgau (1.103 m) absteigen. Die mit Lüftlmalerei, eine volkstümliche Variante des Trompe-l’œil (Scheinmalerei) aus dem Barock, geschmückten Häuser in Holzgau fallen uns natürlich auch sofort ins Auge.
Von dort nehmen wir das Taxi direkt zu unserer Unterkunft in Madau auf 1.308 m , da diese Neuneinhalb-Stunden-Tour Spuren in der Kondition bei Alt und Jung hinterlassen hat. Um unser Familienzimmers mit sechs Betten zu bekommen, mussten wir dieses Mal einfach nur früh buchen und nicht wie am Tag zuvor, so früh wie möglich bei der Bettenausgabe auf der Hütte sein.
Wir haben die Allgäuer Alpen verlassen und befinden uns jetzt in den den Lechtaler Alpen, die noch Teil der nördlichen Kalkalpen sind.
Während des Abendessens verabschiedet uns ein wunderschönes Abendrot. Wir gehen früh ins Bett.
DIE DRITTE ETAPPE
Madau – Ansbacher Hütte
Mittwoch, 17.08.2022 – 12 km, ↑ 1.250 m / ↓ 150 m,
unsere Gehzeit: ca. 5 Std. zzgl. 1 Std. Pausen und einschl. wieder Zeit fürs Murmeltier schauen
WEGBESCHREIBUNG:
Die heute vor uns liegende Etappe, wurde in unserer Lektüre zur Reisevorbereitung auch als die im Nachhinein schönste Etappe der ganzen Tour, die allerdings über die Kemptner Hütte geführt hat, bezeichnet. Ob sie die Eindrücke des gestrigen Tages noch toppen kann?
Wir frühstücken erst einmal bei einer großen Müsliauswahl. Der Weg herunter zum Frühstücksraum über zwei Stockwerke Treppenhaus lässt uns den Muskelkater im Oberschenkel und in den Wadl’n spüren.
Wir brechen auf in das Tal des Alpenschonbachs . Die Route führt zunächst über die Forststraße und später über einen schmalen mit Wurzeln und Steinen gepflasterten Wanderweg, den Großteil des Weges dem glasklaren und klaren Gebirgsbach folgend. Nach ungefähr der Hälfte der Strecke verlassen wir den Wald und folgen dem Weg über satte Wiesen, bis mit höheren Steigungen die Latschenkiefern überwiegen. Über ca. 1.800 m ist von Vegetation bald nur noch so viel zu sehen, dass die Murmeltiere und Schafe, die uns konstant beobachten, davon satt werden.
Nach einer Pause am Wald, legen wir noch eine Pause an einer Bachüberquerung ein.
Das Alperschonjoch (2.301 m) und die Samspitze (2.624 m) lassen wir zu unserer Rechten liegen. Auf 2.464 m überwinden wir das Flarschjoch und erreichen ca. 20 Minuten später die 1906 eingeweihte Ansbacher Hütte (2.376 m) der Sektion Ansbach des Deutschen Alpenvereins mit 81 Schlafplätzen. Nicht nur unsere alternative Route des E5, auch die Route des Fernwanderweges E4 und des Lechtaler Höhenwanderweges führen an der Hütte vorbei.
DIE VIERTE ETAPPE
Ansbacher Hütte – Schnann – Skihütte Zams
Donnerstag, 18.08.2022
Ansbacher Hütte – Schnann:
4,5 km, ↓ 1.200 m, unsere Gehzeit: ca. 3 Std. zzgl. 30 Min. Pausen und einschl. 30 Min. Tiereschaurn
Zams Talstation – Skihütte Zams:
5 km, ↑ 970 m, unsere Gehzeit: ca. 2 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Die Ansbacher Hütte (2.376 m) verlassen wir nach einem frühen Frühstück wie alle der Hüttengäste mit einer Wettervorhersage, die mindestens Schauer verspricht. Entsprechend wird die volle Regenmontur angezogen und aufgebrochen Richtung Schnann (1.186 m), hinein in die unterhalb der Hütte im Kessel des Stanzer Tals hängenden Wolken. Unser Talabstieg wird beobachtet von schwarzen Salamandern, Dohlen und Gämsen. Nachdem wir der Fritzhütte (1.736 m) den letzten Kaffee am Morgen weggetrunken haben, steigen wir über die Schnanner Schlucht hinab zur Haltestelle des stündlich fahrenden Postbusses in Schnann. Wir verlassen die Allgäuer Alpen. Hier ist es bereits so aufgeklart, dass wir die Regenmontur längst weggepackt haben und die volle Sonnenmontur angesagt ist.
Die Schnanner Schlucht wurde vom Schnanner Bach in den Dolomitgestein geschnitten und dient noch heute als natürlichen Schutz des Dorfes vor Muren und Lawinen, auch wenn eine moderne Murenschutzanlage oberhalb der Klamm zusätzlich errichtet wurde. Die erzeugte Wasserkraft wurde für Getreide- und Sägemühlen sowie von einem Schellenschmied genutzt, heute noch von einem 27 Kilowatt Gleichstrom–Elektrizitätswerk, das einen Beitrag zur Wasserversorgung des Dorfes liefert.
Der Ort Schnann im Stanzer Tal, heute mit ca. 370 Einwohnern, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch seinen Nebennamen „Die goldene Stadt“ bekannt, da ungarische Nationalsozialisten Gold in der Nähe des Ortes vergraben haben.
Der Bus bringt uns nach kurzer Wartezeit und ca. 30-minütiger Fahrzeit zum Bahnhof von Landeck .
In Landeck machen wir einen kurzen Fußmarsch nach Zams (767 m), nahe dem Zusammenfluss von Inn und Sanna und auf der Grenze zwischen den nördlichen Kalkalpen und der Zentralalpen. Zams bzw. Landeck war und ist Verkehrswegeknotenpunkt der Straßen aus dem Vinschgau, dem Engadin, Bayern und dem Bodenseeraum.
Die Kinder nehmen von Zams die Gondel zur Mittelstation der Vernetbahn, nachdem sich einige von uns noch mit neuer Wanderstöckeausrüstung zwecks Materialversagens ausgestellt haben. Von dort geht es dann zur Skihütte Zams (1.750 m) mit 75 Schlafplätzen, die den Service ohne Aufpreis bietet, während des Abendessens eine Ladung Wäsche pro Person zu waschen und zu trocknen (Achtung: die halbstündlich fahrenden Gondeln halten nur stündlich an der Mittelstation).
Ein Teil der Erwachsenen macht den Aufstieg zur Hütte über den gut ausgeschilderten Wanderweg 2a zu Fuß von der Talstation in Zams aus und steigt damit in die Ötztaler Alpen bzw. die Zentralalpen, auch Zentrale Ostalpen genannt, ein. Der Wanderweg führt fast ausschließlich abseits ausgebauter Straßen und Wege. Der in den Waldabschnitten vorherrschende Duft nach Tannennadeln, Harz, Moos und Holz, wird von dem Duft der Wiesenblumen und -gräser auf den sich mit dem Waldabschnitten abwechselnden Wiesenlichtungen abgelöst. Der mit glänzendem Schiefersplit übersäte Weg führt an verfallenden Blockhütten und mit frischem Heu gefüllten Schobern vorbei, während die Stützen der Skilife auf den Skipisten vom Waldrand aus zu sehen sind. Am Wegrand wachsen Steinpilze, Maronen, Sandpilze, Boviste, Täublinge und Fliegenpilze in Hülle und Fülle.
In der zweiten Hälfe des Weges führt der Weg dann über die Skipiste, was ihn weder steiler noch flacher macht. Man merkt allerdings an einigen matschigen Stellen, dass in den letzten Tagen hier viel Niederschlag gefallen sein muss. Das letzte Stück des Aufstiegs kommt zur Steilheit des Geländes auch noch leichter Nieselregen: Muss die Regenausrüstung also doch ihren Zweck erfüllen.
DIE FÜNFTE ETAPPE
Skihütte Zams – Glanderpitze – Wenns – Mandarfen (Pitztal)
Freitag, 19.08.2022 – 13,5 km, ↑ 550 m / ↓ 1.350 m,
unsere Gehzeit: ca. 6:30 Std. zzgl. 1:30 Std. Pausen (krankheitsbedingt)
WEGBESCHREIBUNG:
Der Morgen hat eine unschöne Überraschung für uns: Wir haben ein Opfer einer Magen-Darm-Infektion unter uns, was eine kurze Nacht und ein mageres Frühstück auf dem Zimmer bedeutet, anstatt am Frühstücksbuffet der Skihütte Zams zuzuschlagen, wie der ganze gesunde Rest der Truppe.
Wir packen die Rücksäcke und machen uns bei leichtem Regen auf an die ca. 550 Höhenmeter bis zur Bergstation der Vernetbahn. Das Tempo ist dem flüssigkeits- und energieberaubenden Zustand unseres Magen-Darm-Opfers angemessen. Am Gipfel des Krahberg (2.208 m) bei strömendem Regen angekommen, suchen wir das SB-Restaurant in der Bergstation auf, um dem Wetter erfolgreich zu entkommen. Nach einer Cola wird der Plan zur Umfahrung der Etappe mit Gondel, Zug und Bus für einen von uns gekippt und wir machen uns alle zusammen bei Nieselregen und Schauern auf den Weg zu unserer Alpe-Hopping-Tour bis nach Wenns. Allein schon wegen des Wetters gehen wir die ursprünglich geplante Variante über die Gladerspitze (Vernet, 2.512 m) und den Piller (2.480 m) nicht. Stattdessen schlagen wir nach ca. einer Stunde, mittlerweile von außen ziemlich nass, in der Gogles Alpe (2.017 m) auf und stärken uns bei dem sehr freundlichen Wirt und seiner Belegschaft, da es mittlerweile fast Mittag ist. Die Kinder bekommen einen weiteren hier Stempel für ihr Reisetagebuch.
Der Himmel hat zum Glück wieder etwas aufgeklärt und es hat aufgehört zu regnen. Uns eröffnet sich der Blick hinab ins Inntal. In den kommenden Stunden werden wir sogar die Sonnencreme auspacken müssen.
Bis zur Galflun Alpe (1.961 m) sind es wieder ungefähr eine Stunde. Es wird deutlich weniger gesprochen, was sicher daran liegt, dass sich jeder mehr aufgrund des rutschigeren und matschigeren Untergrundes auf das Setzen jedes Schrittes konzentrieren muss. Wir sehen neben dem Inn- auch in das Kaumer-, Pitz-, Özt- und Pillertal hinauf. An der Galflun Alpe angekommen, erfahren wir im Gespräch mit dem Hüttenwirt, den wir vor deiner Hütte treffen, dass der Magen-Darm-Virus von der Mindelheimer Hütte aus, die wir über die Ansbacher Hütte umgangen hatten, derzeit über den ganzen E5 verbreitet wird.
Wie verabschieden uns und gehen ca. 30 Minuten weiter zur Larcher Alm (ca. 1.400 m), wo wir unsere letzte Rast für heute einlegen und den vor Ort hergestellt Zirbenschnapps verköstigen.
Der in die Wiesen eingewaschene oder über Holzplanken führende Weg, der bis jetzt entlang des Hanges über die Weiden ging, führt uns jetzt durch den Wald Richtung Tal bis zum Ortsrand von Wenns . Wir folgen der weiterhin sehr guten Beschilderung und gelangen über Straßen und Wanderwege bis zum Ortszentrum, von wo wir nach überschaubarer Zeit den bereits vollen Postbus der Linie 4204 ins Pitztal bis nach Mandarfen (1.675 m)
an der Riffelseebahn, einem Weiler der Gemeinde St. Leonhard, nehmen. Dort beziehen wir Quartier für den morgigen Aufstieg zur Braunschweiger Hütte. Die Kinder können sogar noch etwas Zeit im Schwimmbad genießen.
Das Wetter wurde uns für heute als das schlechteste seit Tagen angekündigt und hat auch einige Hochgebirgswanderer zur vorzeitigen Rückreise bewogen bzw. das Ausweichen von einiger E5-Wanderer auf den Bus bewirkt, wie wir auf den Hütten erfahren. Auf unserer heutigen Wanderung sind uns deshalb wohl sehr wenige Menschen begegnet, obwohl wir uns durchgehend auf der regulären E5-Route bewegt haben. Das Wetter und den Viruseinschlag haben wir heute sehr gut bewältigt. Morgen kann kommen.
DIE SECHSTE ETAPPE
Mandarfen (Pitztal) – Braunschweiger Hütte
Samstag, 20.08.2022 – 6 km, ↑ 1.100 m,
unsere Gehzeit: ca. 4:30 Std. zzgl. 45 Min. Pausen (krankheitsbedingt)
WEGBESCHREIBUNG:
Den Mittagskogel in Mandarfen (1.675 m) und sein sehr freundliches und entgegenkommendes Personal verlassen wir nach einem guten und ausgiebigen Frühstück, bei dem leider unser neues Magen-Darm-Virusopfer in Team fehlt, da der Tee und die trockene Semmel dann doch lieber im Zimmer verzehrt werden. Im Gespräch mit der Rezeptionistin hören wir, dass die Hüttenwirte entlang des E5 mittlerweile gezielt davor warnen, aus den Bächen zu trinken, da vermutet wird, das die grassierende Infektionswelle durch das Trinken von Wasser ausgelöst wurde, das z. B. über eine Kuhweide geflossen ist.
Der Aufbruch wird krankheits- und wetterbedingt auf zehn Uhr verschoben, auch wenn wir schon um 7:30 Uhr beim Frühstück sitzen. Wir starten den Tag im leichten Regen und gehen auf der ausgebauten Schotterstraße zum Gletscher-Stünerl (1.891 m), wo wir unseren Patienten, wie schon gestern, mit einer Cola erfolgreich dopen. Dort treffen wir eine Familie, die wir bereits vor einigen Tagen in Madau in der Unterkunft getroffen hatten und erfahren, dass die Tochter virusbedingt sogar sehr angeschlagen ist.
Nachdem wir vier unserer sechs Rucksäcke in der Talstation der Materialseilbahn für den Transport zur Braunschweiger Hütte zurückgelassen haben und diese mit dem Kurbeltelefon auf der Hütte angekündigt haben, geht es weiter zur Braunschweiger Hütte (2.579 m). Der Weg folgt weiter der Pize, deren Wasser sich über nebelwerfende Wasserfälle den Hang hinunter stürzt. Im Hang machen wir mit einem Schritt gefühlt genauso viele Höhenmeter wie Wegemeter. Mit jedem gegangenem Schritt lösen sich aber auch die tiefhängenden Wolken mehr und mehr auf und geben den Blick auf die umliegenden Gipfel und das Pitztal frei. Die Wasserfälle, an denen wir vorbeikommen, sind aber wolkenverhangen ein ganz besonderes Erlebnis.
Ein dickes Dankeschön geht an die Alpenvereinssektion, die diese gute Wegesicherung mit Drahtseilen und Tritten montiert hat und bereut. Kritische Stellen sind so gut machbar, auch bei Feuchtigkeit. In den Abschnitten, in denen wir fast nur über große, in einander perfekt verschachtelte Steine gehen, können wir nur hoffen, dass keine Riesen zum Mikado-Spielen vorbeikommen.
Im oberen Drittel öffnet sich irgendwann der Blick auf unseren ersten Gletscher in gefühlter Greifnähe und zwingt uns zum Stehenbleiben, ebenso wie bei dem Wiesel und den Gämsen, die heute neben den Rindern im Tal unsere Wegbegleiter sind. Wir erfahren die Natur in den Alpen wieder ein Stück abwechslungsreicher als eh schon bisher auf unserer Reise, die heute bereits zu zwei Drittel vorbei sein wird.
An der 1892 erbauten und mit 183 Schlaf- zzgl. 11 Notlagerplätzen ausgebuchten Braunschweiger Hütte kommen wir alle Dank einer erneuten, exzellenten Teamleistung aller in der Gruppe zusammen an. Wir melden uns an und beziehen unser Zimmer, in dem wir wieder als Gruppe von sechs Personen unter uns sein können. Kurz darauf kommen auch unsere Rucksäcke mit der Materialseilbahn auf der Hütte an und wir können sie ins Zimmer bringen, wo sie schon sehnsüchtig erwartet werden.
Die Braunschweiger Hütte ist umgeben von den Dreitausendern Mittagskogel (3.162 m), Grabkogel (3.052 m), Linker Fernwrkogel (3.278 m), Tiefenbachkogel (3.309 m), Innere Schwarze Schneide (3.369 m), Karleskogel (3.106 m) und Polesfernerkopf (3.015) und liegt direkt unter dem Karleskopf (2.901 m).
Vor dem Besuch des Gletschers unterhalb der Hütte, werfen wir einen Blick in die im Juni 2022 eingeweihte neue Kapelle, die den Kapellenraum ersetzt, der aufgrund von umzusetzenden Maßnahmen im Zuge der Generalsanierung der Hütte in 2019 eines nachgerüsteten Fluchttreppenhauses weichen musste.
Der Besuch an der Gletscherzunge ist ergreifend, da man sich als kleiner Mensch einer unglaublich riesigen Zunge aus purem, blau glänzendem Eis gegenüberstehen sieht, und zugleich erschreckend oder beschämend, da wir Menschen auch diese Riesen aus Eis vernichten: Und das mit jedem Tropfen Wasser, der zu viel an der Gletscherzunge herausläuft, an der wir gerade stehen. Dies ist einer der Momente, die auf unserer Reise besonders machen.
Während des Abendessens und in der Nacht, wissen wir sehr zu schätzen, in dieser Schutzhütte der Sektion Braunschweig des Deutschen Alpenvereins zu sein, da draußen nur noch Wolke zu sehen und Regen zu hören sind. Die vierköpfige Familie aus Madau kommt gerade noch vor dem einsetzenden Regen auf der Hütte an, während wir mit dem Abendessen beginnen. Die Wetter-App sagt um 21 Uhr nur noch 6 Grad Außentemperatur an. Die beiden Jungs am Nachmittag vom Nachbartisch werden wohl in ihrem Biwak, zu dem sie noch aufgebrochen sind, eine nasse und kalte Nacht erleben.
Vor dem Zubettgehen holen wir uns von Hüttenwirt noch wichtige Informationen für die morgige Routenentscheidung, die wir beim Frühstück noch treffen müssen. Der Wetterbericht verspricht nur Gutes und wir hoffen morgen wieder alle zu 100 Prozent fit zu sein.
DIE SIEBENTE ETAPPE
Braunschweiger Hütte – Venter Panoramerweg – Vent
Sonntag, 21.08.2022 – 13,5 km, ↑ 150 m / ↓ 1.350 m,
unsere Gehzeit: ca. 6 Std. zzgl. 1:15 Min. (Zwangs-)Pausen
WEGBESCHREIBUNG:
Wir lassen den eifrigeren Bergwanderern den Vortritt beim Frühstück, da es dieses schon zwischen 6:00 und 7:30 Uhr gibt und wir niemanden von einem frühen Start abhalten wollen. Wir entscheiden uns gegen die Route über das Pitztalter Jöchl (2.996 m), über das ein Abstieg zur Talstation der Rettenbachgletscherbahn möglich gewesen wäre. Wie wir Tage später auf der Martin-Busch-Hütte erfahren werden, ist das die richtige Entscheidung, da die Seilsicherung auf dieser Route reparaturwürdig und sicher für Kinder ungeeignet ist. Zum Glück sind wir alle wieder vollständig fit. Gegen acht Uhr brechen wir von der Braunschweiger Hütte (2.579 m) auf und erreichen das Rettenbachjoch (2.993 m) , und damit den bisher höchsten Punkt unserer Reise, ungefähr nach einer Stunde und nach einem steilen Aufstieg über die wieder gut gesicherte Route durch den felsigen Hochgebigshang. Die fesselnde Sicht auf den Gletscher in seiner ganzen Ausdehnung sowie der Blick auf dessen Spalten und Ausflüsse lassen unsere Gruppe für die anderen Wanderer auf diesem in der Früh viel begangenen Weg vielleicht einmal zu oft in steilen Gelände stehen bleiben und zwingt diese uns zu überholen. Am Rettenbachjoch haben wir ein dreiviertel Stunde ungeplanten Zwischenstopp, da wir auf den verspäteten Betriebsbeginn der Rettenbachgletscherbahn für unsere Fahrt talabwärts warten müssen, der um 9:00 Uhr gewesen wäre. Ein Abstieg ist von hier aufgrund von vereisten Stellen im Hang ohne Spezialausrüstung nicht möglich, wie wir am Vortag in unserer Hütte erfahren hatten. Von der Talstation der Rettenbachgletscherbahn
nehmen wir den Bus der Linie 8404 für eine Station zum Tiefenbachgletscher (2.796 m)
, um das Seiter Jöchl durch den Tunnel „unterwinden“ zu können.
Von dort machen wir uns auf den Ventner Panoramaweg gegenüber der Gipfelkette mit dem Großen Ramolkogel (3.549 m) bis nach Vent (1.859 m). Die 10,5 km, die wir dem Panoramaweg folgen, führen uns entlang dem Südhang unterhalb des Weißkarkogel (2.996 m) über Bäche und durch die verschiedenen Vegetationszonen, deren Übergänge auf diesen 1.000 Höhenmetern gut erkennbar sind.
Die am Morgen noch die Hänge heraufziehenden Wolken haben schon sich vor unserer Ankunft in Vent bei weiterhin kühlen Temperaturen vollständig aufgelöst. Die Sonne wärmt die Haut wohlig, während der kalte, vom Tal heraufwehende Wind gleichzeitig eine willkommene Abkühlung bietet, während wir am Hang auf einem einfachen und abwechslungsreichen Pfad gehen.
Im Bergsteigerdorf Vent , eine Fraktion der Gemeinde Sölden mit ca. 140 Einwohnern, fühlen wir uns sehr wohl. Unsere Unterkunft nehmen wir direkt an der Zentner Ache im Haus Edelweiß, wo wir herzlich durch die Gastwirtin und ihren alten Hund empfangen werden. Der kleine und einzige Laden im Ort bietet von Kleidung über Sportartikel bis Lebensmittel und Drogerieartikel alles von Montag bis Sonntag an: Eine Aufstockung unserer Brotzeitvorräte für die kommenden zwei Tage ist somit selbst heute, am Sonntag, möglich. Ein ausgiebiges Abendessen in der lokalen Pizzeria und den Sonntagabend-Tatort lassen wir uns nicht entgehen.
DIE ACHTE ETAPPE
Vent – Martin-Busch-Hütte
Montag, 22.08.2022 – 6 km, ↑ 650 m / ↓ 50 m,
unsere Gehzeit: ca. 3 Std. Gehzeit zzgl. 30 Min. Pause
WEGBESCHREIBUNG:
Unsere Formel, um in den Tag zu starten: Eine kurze Etappe plus gutes Wettet ist gleich eine Stunde länger schlafen plus ausgiebig frühstücken.
Wir gehen erst nach 10:00 Uhr gemütlich in das Tal des Niedertalbachs unterhalb der Taleitspitze (3.406 m) und der Kreuzspitze (3.455 m) auf der oberhalb des Bachs führenden Schotterstraße, über die die Martin-Busch-Hütte (2.501 m), auch Neue Samoarhütte genannt, an Vent (1.859 m) angebunden ist. Wir machen heute die entspannteste und kürzeste Etappe auf unserer ganzen Reise. Auf der gegenüberliegenden Bachseite erheben sich die schroffen Gipfel des Vorderen Spiegelkogel (3.087 m), des Steinmandl (3.145 m) und des Vorderen Diemkogel (3.368 m). Der Niedertalbach hat sich über die Zeit tief in das Gestein hineingefressen und zum Teil kleine Schluchten gegraben. Schmale Brücken unterschiedlichster Bauart überspannen vereinzelt den Bach und erlauben Wanderern die gegenüberliegenden Gipfel zu erreichen.
Vom Weg aus sehen wir unzählige Schafe, die unterschiedliche Markierungen aufweisen: Hellblaue, rote, dunkelblaue Punkte, rote und grüne Kreuze oder irgendwelche Kombinationen. Neben den Schafen werden auch die Pferde von den Kindern gestreichelt und die Ziegenherde mit geschätzt 100 Tieren auf dem gegenüberliegenden Hang unter der Führung des Leittiers auf ihrem Treck zu neuen Futtergründen und Wasserzugängen beobachtet.
Seit unserer Ankunft in Vent befinden wir uns im Naturpark Ötztal. Mit unserer heutigen Etappe dringen wir in die Ruhegebiete Ötztaler Alpen vor, die Teil dieses 510 km² großen Naturparks ist, der acht Naturschutzgebiete bzw. -reservate mit zusammen 67 Gletschern, 152 Bergen über 3.000 Meter und 48 Hütten bzw. Almen umfasst.
Den Nachmittag verbringen wir auf der Martin-Busch-Hütte , wo die Kinder gebannt die Murmeltierfamilie mit zwei Jungen beobachten und den alten, schwarzen und geduldigen Hüttenhund stundenlang streicheln. Die Uno-Karten werden heute Abend auch nicht umsonst den Berg hochgetragen und auch ein zweites Radler schmeckt heute. Etwas ungewohnt, weil bewegungsarm, fühlt sich das erste Mal mit so viel Zeit auf einer Hütte allerdings schon an.
Zum Abend erreichen immer mehr Wanderer die Unterkunft und so ist das Haus am Abend bis auf den letzten Platz voll.
Bei der Abendlektüre der ausgelegten Hüttengeschichte erfahren wir etwas über die Entstehung und die bauliche Entwicklung des Bauwerks, aber auch über die dunkle Geschichte des Alpenvereins und der als „Herman-Göring-Haus“ geplanten Hüttenerrichtung in der Zeit des Nationalsozialismus sowie die solidarische, internationale Unterstützung unter den Alpenvereinen im Nachkriegseuropa.
Diese Nacht wird unsere erste und letzte im Lager sein. Zu unserem Übel hat sich eines der Kinder jetzt auch noch den grassierenden Magen-Darm-Virus eingefangen, was zu einer enormen, leider unvermeidbaren Lärmbelastung im Schlaflager führt und die morgige Etappe für uns zusätzlich schwerer machen wird
DIE NEUNTE ETAPPE
Martin-Busch-Hütte – Similaunhütte – Vernagt – Meran
Dienstag, 23.08.2022 – 12,5 km, ↑ 500 m / ↓ 1.300 m,
unsere Gehzeit: ca. 8 Std. zzgl. 1,5 Std. Pause (krankheitsbedingt)
WEGBESCHREIBUNG:
5:40 Uhr … der erste Wecker läutet im Matratzenlager der Martin-Busch-Hütte (2.501 m). Wir haben ein übernächtigtes Kind (inkl. einer die ganze Nacht führsorglichen Mama), dessen Gepäck wir auf die anderen aufteilen und das wie mit Kräutertee versorgt haben. Unsere erprobte „Cola-Therapie“ bekommen wir an diesem Tag auf keinen der Hüßtten hin. Heute wird es mehr Pausen und ein verlangsamtes Gehtempo geben. Allerdings müssen wir die Abfahrt des letzten Busses, der uns in unserer Unterkunft in Meran bringen soll, im Auge behalten.
Eine Rückkehr nach Vent ist aufgrund der sehr schlechten verkehrlichen Verbindung nach Meran leider ausgeschlossen.
Nach dem Frühstück brechen wir auf und machen uns an den Aufstieg. Die tiefstehende Sonne wirft unter dem kristallklarem blauen Himmel noch lange Schatten an den umliegenden Berghängen und lässt Bäche und Quellen an den Hängen silbern funkeln. Wir folgen dem Tal des Niederjochbach mit den östlich gelegenen Gipfeln der Marzellkammspitze (3.149 m), des kleinen Similaun (3.363 m) und des Simiaun (3.606) sowie den westlichen gelegenen Bergen zwischen Kreuzspitze (3.455 m) und Hauslabkogel (3.402 m).
Die Fundstelle des Ötzi am 3.208 m hohen Tisenjoch, an der der ca. 5.300 Jahre alten Mann im Eis von Wanderern 1991 entdeckt wurde, besuchen wir aus verständlichen Gründen heute sicher nicht.
Uns kommt ein Schafhirte mit seiner Herde entgegen, den wir bei seiner Arbeit mit seinen beiden Hunden beobachten können.
Mit dem Grenzübertritt nach Italien auf etwas über 3.000 m Höhe verlassen wir nicht nur Österreich und den Naturpark Ötztal, wir kommen auch in den 1976 gegründeten Naturpark Texelgruppe, der sich zwischen Meran und Schnal erstreckt.
Kurz nach der Grenze erreichen wir die 1898 erbaute Similaunhütte (3.019 m) , die bekannt für gutes Essen und besten Wein aus Südtirol ist und ganzjährig jährig betrieben wird. Von hier aus haben wir gute Sicht auf den Niederjochgletscher und den Gipfel des Similaun, bevor wir uns auf den Abstieg mit ca. 1.300 m Höhenmetern hinab zum Vernagt Stausee (1.689 m) machen.
Zunächst müssen wir einem letzten, z. T. senkrecht abfallendem Hang entlang den Weg folgen, bis dieser dann mit angenehmen Gefälle durch das breite, von Murmeltieren, Schafen, Eseln und Kühen bewohntes Tal Richtung See führt.
Der 100 ha große Vernagt Stausee , italienisch Largo di Vernago, liegt im Schnalstal und hat eine 65 m hohe Staumauer, hinter der acht Höfe versanken. Die Turmspitze des „Leiter-Kirchleins“ ist bei Niedrigwasser sichtbar. Die Fallhöhe von 1.135 m wird zur Energiegewinnung genutzt und produziert eine Strommenge, die ungefähr den Walchenseekraftwerk entspricht.
Am See überschreiten wir die „Ziellinie“ gemeinsam mit einem großen letzten Schritt um 16:30 Uhr, so wie wir vor 8 Tagen und 8 Stunden aufgebrochen waren.
Und der Weg war unser Ziel, das wir heute hiermit erreicht haben.
Mit dem Bus geht es mit einem Umstieg in Naturns in das Zentrum von Meran , vorbei an Weinbergen und Obstplantagen.
Nach einem gemeinsamen ersten Abendessen in Meran endet dieser erschöpfende Tag für uns.
AM ZIEL – MERAN
Meran – München
Mittwoch – Freitag, 24.-26.08.2023
WEGBESCHREIBUNG:
Keinen Wecker stellen und Ausschlafen steht ganz oben auf der Wunschliste für den ersten Tag in Meran. Dafür wecken uns die Sanierungsarbeiten in der Nachbarwohnung unserer äußerst zentral gelegen Ferienwohnung. Der beste Grund aufzustehen und in das nächste Café für ein Frühstück zu fliehen. Auf die Fragen, was das apfelstrudelartige Gebäck sei, das einige Einheimische auf dem Weg in den Bistros am Straßenrand gegessen hatten, und was ein typisches Frühstück hier sei, bekommt man die kurze, ernste und zugleich herzliche und ehrliche Antwort: „Das müssen Italiener gewesen sein, hier, DAS isst man hier.“ Diesem Rat folge ich sehr gerne und bekomme ein mit Vanillecreme gefülltes Croissant. Es tut gut, sich beim Frühstücken nicht anstellen zu müssen, sich nicht zu beeilen und stattdessen einfach mal die Füße auszustrecken.
Nachdem wir unserer Packet abgeholt haben, haben die Bergschuhe jetzt auch etwas Pause. Der Pappkarton unserer Paketsendungen fliegt gleich in die zufälligerweise heute anstehende Papiersammlung.
Der unüberhörbaren Einladung der Innenstadt für einen Stadtbummel in den Gassen des mittelalterlichen Stadtgrundrisses folgen wir sehr gerne. Lieferdienste fahren hier mit dem Handwagen durch die Gassen, um ihre Pakete zwischen den vielen, aber nicht übervielen einheimischen und touristischen Passanten auszuliefern. In den schattigen Gassen ist ein angenehmes Gehen zwischen den verschiedensten Geschäften und Restaurants mit ihren Tischen auf der Straße vor dem Lokal jederzeit gut möglich.
In einer Bäckerei entdecke ich ein Meraner Törtchen, während sich die ein Teil unserer Damen mit passender Bikinimode im Sommerschlussverkauf für den nachmittäglichen Thermenbesuch eindecken, und setze so meine kulinarische Reise lokaler Köstlichkeiten fort. Diese wird ergänzt um einem Glas mit lokalen Rotwein und Brot mit Tiroler Speck bei einer Einkehr in einer kleinen Bar/Taverne in einer der ruhigen Seitengassen der sonst mit Fußgängern und vielen Radfahrern belebten Straßen in der Fußgängerzone. Ein Eis darf natürlich nicht fehlen, bevor wir der durch Meran fließenden Passer einen Besuch abstatten, einschließlich ausgiebigen Abkühlung für die Kinder.
Den späte Nachmittag nutzen die Damen für ihren Thermenbesuch. Anlass genug, die Erkundung der Stadt fortzusetzen: Durch die engen Gassen mit alten Wohnhäusern und vereinzelten kleinen Handwerksbetrieben im Erdgeschoss, geht es hinab zur Passer zur viel von Eingeimischen und Touristen begangenen Winterpromenade. Die Winterpromenade, als sonnen- und windgeschützter Weg angelegt, führt hinter der Porte Romano über in die Lyrik- und Gilfpromenade in den als botanischer Garten angelegten Park am Hang über dem Fluss. Am gegenüberliegenden Flussufer folgt der Blick der dort errichteten Sommerpromenade. Die Stadtplanung hat einen gutes Händchen bei der touristischen wegweisenden Beschilderung und bei der Gravierung der Sitzbänke auf der Lyrikpromenade mit Zitaten von Poeten, die ein Teil ihrer Schaffensperiode in Meran verbracht haben, bewiesen.
Die Promenadenwege machen von Zeit zu Zeit die Sicht frei auf das grüne Umland der Stadt. Auffällig stechen dabei neben den bereits in der Stadt markanten Stadttoren die Türme an den Promenadenwegen als Reste mittelalterlicher Wehranlagen hervor. Der Tappeinerweg bringt mich zum Pulverturm oberhalb der Innenstadt, der heute idyllisch neben einem Weinberg mit voll hängenden Trauben liegt und den wir am nächsten Tag auch für eine sehr gute Übersicht über die Stadt und das Umland zusammen besteigen werden können. Mir fällt auf, dass hier haushohe Palmen in privaten Vorgärten neben Häusern in typisch voralpenländlicher Bauart mit Hirschgeweihen stehen. Ein Kontrast wohl nur für uns Nordalpenisten.
Der Abstieg über steile Steintreppen über den öffentlichen Kräutergarten führt direkt zur Weinstube vor dem Museum Palais Manning, wo es den Augen nicht langweilig wird, während das nächste Glas eines lokalen Rotweins verkostet wird: Passanten winken Freunden und Bekannten im dem Lokal zu, die Kinder spielen auf dem Platz vor dem Museum, die mobilen, mit Elektromotoren ausgestatteten Marktstände fahren samt vollem Warenanhänger durch die VerkäuferInnen gesteuert nach getanem Tagwerk auf dem Marktplatz vor der Duomo San Nicolo hier vorbei und die Müllabfuhr räumt den Altpapier- und Kartonagenberg in die Papierpresse aus Rädern.
Der Corso Liberta und die Uferpromenade mit ihren breiten Straßenquerschittstellen sowie das zwischen diesen beiden Straßen liegende, teils im 19. und teils im frühen 20. Jahrhundert errichtete Kurhaus setzen sich stadtplanerisch sichtbar von der Innenstadt ab. Auf der gegenüberliegenden Flussseite bietet die Therme und das Thermenhotel dann noch moderne architektonischene Ansätze. Auf dem Platz zwischen diesen Gebäuden beenden wir unseren Abend mit den letzten Stücken des dort stattfindenden Max von Milland-Konzerts, nachdem wir eine Odyssee für die Suche nach einem Abendessen hinter uns haben, da die Restaurants alle bereits gehen 21:30 Uhr schließen und uns mangels offener Küche nicht mehr bewirten können.
Den Sisiweg, der auf der Sommerpromenade im Ort beginnt, gehen wir am nächsten Tag zusammen und biegen auf die Lyrikpromenade bzw. den Tappeinerweg ab. Vorher werden wir noch unsere Steine aus Oberstdorf ins Wasser der Passer, von wo er eine seinen Weg ins Mittelmeer nehmen kann.
Wir erkunden weiter die Stadt und versuchen uns dieses Mal an den lokalen Weißweinen.
Mit dem Zug geht es am nächsten Tag zurück nach München.
Ich wünsche uns, die wir diese Reise zusammen begonnen und gemeinsam beendet haben, dass unsere Seele gleichermaßen gewachsen und reicher geworden ist.
EXKURS ZU DEN SÜDTIROLER WEINEN:
Nach zwei Tagen individueller Weinverkostung von in und um Meran produzierten Rot- bzw. Weißweinen gibt es ein sehr positives Resümee. Auf jeden Fall schmeckt jedes Glas hier sehr gut, auch wenn es für jeden mehr oder weiniger Favoritenrebsorten und -weine gibt.
Die Inhalte der an den Tischen in unserer Weinschänke ausgelegte kurze „Einweisung“ in die südtiroler Weinlandschaft sollen hier nicht unerwähnt bleiben:
Die mit durchschnittlich 1.800 Std. im Jahr von der Sonne beschienen Südhänge erlaubt dem Weinbaugebiet Südtirol auf relativ kleiner Anbaufläche von 5.160 ha eine im weltweiten Vergleich einzigartige Sortenvielfalt anzubauen und eine Jahresproduktion von 600.000 Litern zu erzielen. Die drei einheimischen Rebsorten Vernatsch und Lagrein (Rotwein) sowie Gewürztrammiener (Weißwein) werden neben den in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts nach Südtirol verpflanzten Rebsorten angepflanzt. Neben Lagenweinen (z. B. Kalterersee, St. Magdalenaer, Meraner und Bozener Leiten) werden auch Sortenweine (z. B. Weißburgunder, Gewürztraminer, Silvaner, Blauburgunder) mit Angabe der Ursprungsbezeichnung hergestellt. Den Einfluss der Lage bzw. die damit unterschiedliche Bodenbeschaffenheit, merkt man, wenn man die fast ausschließlich mit der Rebsorte Vernatsch gekelterten Lagenweine anfängt in Farbe, Bouque und Körperfülle zu unterscheiden. 80% der Produktion sind Rotweine und ebenfalls 80% der insgesamt hergestellten Weine führen die staatliche Schutzbestimmung D.O.C. (Denominazione di Origine Controllata). Diese wird dadurch wirksam geschützt, dass Vorschriften zu Höchstertrag und Mindestgradation neben anderen prüfbar einzuhalten sind.