Unterwegs auf der Ruta de Pedra en Sec (GR 221) von Port de Sóller nach Port d’Andratx während der Mandelblühte
… einige Worte vorab …
Der Winter ist zuhause so langsam auf dem Rückzug, erste Schneeglöckchen sind in den Vorgärten zu sehen und die diesjährige Faschingssaison kommt zu seinem Höhepunkt.
Wir entfliehen dem Winter und den Narren und lassen uns von der Hoffnung auf eine volle Blüte der Mandelbäume bei frühlingshaften Temperaturen auf die Mittelmeerinsel Mallorca locken.
Der ca. 150 km lange Trockensteinmauerweg, auf den wir ein Teilstück gehen, auch als europäischer Fernwanderweg GR221 bekannt, führt uns gegen die übliche Gehrichtung von Port de Sóller über fast 90 km im Tramontanagebirge (spanisch: Serra de Tramontana) bis nach Port d‘Antratx, quer durch die seit 2011 auf Welterbeliste der UNESCO stehende Landschaftszone. Wie wir später von anderen Wanderern erfahren werden, sind wir nicht die einzigen mit dieser Wegwahl auf dem angeblich schöneren und abwechslungsreicheren Teil des Fernwanderweges.
DIE ANFAHRT ÜBER PALMA DE MALLORCA
München – Palma de Mallorca – Sóller – Port de Sóller
Samstag. 10.02.2024 – Palma de Mallorca
Die Vorbereitung war selten einfach: Reiseführer kaufen, Etappen heraussuchen, Unterkünfte und Flug online buchen und dann die Rucksäcke packen. Bei Letzterem beweisen die Kinder bereits absolute Eigenständigkeit.
Unseren sehr frühen Start in dieser Nacht haben wir dem ersten Flug zu verdanken, der den Flughafen München heute verlässt. Und wir sind da dabei. Die letzte S-Bahn für Nachtschwärmer nehmen wir für die Anfahrt zum Flughafen. Unser Highlight am Flughafen: Die Gurke, die wir noch aus dem Kühlschrank für das Frühstück am Flughafen mitgenommen haben, wurde ganz formell im Security Check auf Sprengstoff getestet. Geschmeckt hat sie bis zu ihrem Ende in Tramontanagebirge immernoch bombig.
Die Vorfreude, bald den ersten Schritt auf dem GR 221 machen zu können, weicht langsam der Gewissheit, dass alles soweit sehr gut klappt und wir schon in einigen Stunden einen Café am Mittelmeer genießen werden.
Die Sonne in Osten und ein erster Blick auf das Tramontanagebirge im Westen begrüßen uns beim Landeanflug auf Palma, der uns einmal quer über die grüne Baleareninsel führt und uns die Sicht auf unzählige Finkas und die vielen Wildräder schenkt.
Nachdem uns der Bus der Linie A1 vom Flughafen bis zum Place d’Espanya in die Stadt gebracht hat, entscheiden wir uns, statt mit dem Linienbus mit dem historischer Holzzug „Tren de Sóller“, der seit 1912 Palma mit der Sóller verbindet, zu fahren (Ticketpreis: 20 Euro/Person). Da die Plätze im den Zugfahrten limitiert sind und wir nicht vorab unsere Fahrscheine gekauft haben, wollen wir uns zunächst einen Platz in einem der nächsten Züge sicher und kaufen uns die zunächst einmal unsere Fahrscheine. Natürlich ist der im Februar noch nicht voll ausgebucht.
Weil das Frühstück bis jetzt ausgefallen war, schenken wir der Keramik-Säule von Miró und Picasso Bahnhofsgebäude wenig Beachtung und steuern direkt in ein Café am Place d‘Espanya.
Die Zugfahrt ist ein Erlebnis für alle Sinne: Die gemütliche Fahrgeschwindigkeit erlaubt die Fahrt bei offenem Fenster und damit das Spüren des Fahrtwindes im Gesicht und das Riechen der mallorquinischen Luft. Jede hölzerne Bahnschwelle meldet sich akustisch zu Wort und der Zugführer bedient die Hupe beim Überfahren jedes Bahnübergangs, um den Straßenverkehr vor dem herannahenden Zug zu warnen. Der innen und außen dunkelbraune Holzwagon, an dem nur die bunten Aufkleber an den Scheiben aus diesem Jahrhundert und das einzig Elektrische die Lampen in der weißen Wagondecke sind, lenkt den Blick auch gerne einmal ab von der Sicht auf die vorm Schiebefenster vorbeifliegenden Oliven-, Pinien- und Steineichenwälder, den Plantagen, den großen und kleinen Finkas in der typischen mallorquinischen Bauart sowie den ersten Steinterrassen. Erste Zitronen- und Orangenbäume mit reifen Früchten und drunter weidenden Hühnern, Ziegen oder Schafen sowie auch die Mandelbäume in voller Blüte, die der Anlass unserer Reise sind, lassen uns Meter für Meter mehr in unserem Urlaub ankommen.
Nach 13 Tunneln sowie weiteren Brücken und Viadukten erreichen wir nach einem Zwischenstop am Mirador del Pujul de’n Banya und anschließend die Stadt Sóller . Die Stadt wurde die im Rahmen der Reisevorbereitungen als Stadt im Jugendstil bezeichnet, ihr Namen geht auf des arabische Suliar, „Tal des Goldes“ oder „Muschel“, zurück. Wir gehen, natürlich mit vollem „Marschgepäck“, auf eine kurze Stadterkundung über den belebten Hauptplatz, der Plaça de la Constitució mit seinem imposanten Fassaden der Iglesia de Sant Bartomeu de Sóller und des Rathause, in die enge Einkaufsstraße mit Läden, die zum Glück nicht nur für die Touristen ihre Ware anbieten.
Mit der 1913 eingeweihten und auf Mallorca ersten elektrischen Straßenbahn (Ticketpreis: 9 Euro/Person), die in ihrem Leben neben Passagieren auch schon Frachttransporte für Fische und Orangen, aber auch für militärische Güter, zwischen der Stadt Sóller und dem Hafen Port de Sóller durchgeführt hat, fahren wir zum Startpunkt unserer Wanderung.
In dem zuerst 1375 n. Chr. urkundlich erwähnten und heute mit ca. 20 Hotels sowie ca. 60 Restaurants sehr touristisch geprägten Port de Sóller , in dessen Nähe man erste Siedlungspuren von 3000 bis 2700 v. Chr. gefunden hat, beziehen wir zunächst unsere heutige Unterkunft, das Hotel Marina, direkt am Strand dieser natürlichen wind- und wellengeschützten Bucht. Man kann sich gut vorstellen, warum wahrscheinlich bereits die Phönizier und die Griechen bereits diesen Ort nutzten, spätere Siedlungsanlagen der Römer nachgewiesen wurden sowie im 2. Weltkrieg hier ein U-Boot-Stützpunkt und ein militärisches Ausbildungszentrum eingerichtet wurden.
Am Eingang in die Bucht sind drei Leuchttürme zu sehen, von denen der Far de Bufador von 1864 nicht mehr in Betrieb ist. Einige Meter oberhalb steht der Far de sa Creu am anderen Ende der Standpromenade, über die die Gleise der Straßenbahn führen und auf der wir sogar den örtlichen Faschingsumzug beobachten können. Am Abend sehen wir den Leuchtturm, der mit seinem Licht den Schiffen den Weg leuchtet. Den Far del Cap Gros am südlichen Buchtufer werden wir morgen passieren.
Östlich über dem Ort steht der bis 1623 n Chr. errichtete Beobachtungs- und Wehrturm Torre Picada auf der nächsten Anhöhe, der Bestandteil des die Küste überspannenden und aus 85 Türme bestehenden Systems von Türmen zur Seebeobachtung und zur Verteidigung gegen Überfälle nordafrikanischer Kossaren war. In den folgenden Tagen werden wir noch mehrere dieser Türme sehen können.
Auf unserem gemütlichen, langgezogenen Spaziergang über die Promenade finden wir in einer der Bars einem windgeschützten Platz und, während die Kinder noch genug Zeit haben, ausgiebig am Meer zu spielen, bevor wir uns zum Abendessen in unserer Unterkunft auf den Weg zurück machen. Den Abend beenden wir mit einer Flasche Rotwein bei einem angenehmen Gespräch mit unseren Tischnachbarn und dem Blick auf den immer gleich aus dem Nichts aufleuchten Leuchtturm.
Apps und Internetseiten
Karten-Apps von komoot, Alpenvereinaktiv und Garmin
Wetter-App meteoblue (mit stundengenauer Vorhersage und Wetterradar)
gängige Buchungsplattformen für Flüge und Übernachtungen
Refugios auf dem GR221
Refugi del Pont Romà, Pollença (42 Plätze)
Refugi Son Amer, Kloster Lluc (52 Plätze)
Refugi Tossals Verdes, Sóller / Kloster Lluc (44 Plätze)
Refugi De Muleta, Port de Sóller (30 Plätze)
Refugi Con Boi, Deià (32 Plätze)
Refugi Son Trias, Esporles (16 Plätze)
Refugi Ses Fontanelles, Andratx (12 Plätze)
DIE ERSTE ETAPPE
Port de Sòller – Deiá
Sonntag , 11.02.2024 – 13 km, ↑ 575 m, ↓ 450 m,
unsere Gesamtzeit: ca. 5:00 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Wir starten für uns ungewöhnlich spät in unseren Wandertag und verlassen Port de Sóller gegen neun Uhr, nachdem die Sonne bereits über eine Stunde aufgegangen war. Es ist Sonntag, auf der Straße sind wir alleine unterwegs, einige Kinder fischen im Meer. Auf dem Weg entlang der Küstenstraße hinauf zum Leuchtturm Far del Cap Gros und mit überwältigendem Blick über die ganze Bucht von Port de Sóller begegnen wir den ersten uns entgegenkommenden Wanderinnen. Es sollen nicht die letzte Begegnung für heute gewesen sein: Spanier, Kanadier, Franzosen und Engländer kreuzen unseren GR 221, aber es sind vor allem Deutsche. Mit einem Wanderer aus Kanada werden wir uns heute noch länger unterhalten: Er legt in den Rocky Mountains Steinmauern und Wanderwege im Auftrag der Kanadischen Nationalparksverwaltung an und studiert die zum Teil Jahrhunderte alte Arbeiten auf dem Trockensteinmauerweg auf die für ihn beste Art und Weise, indem er diesen bewandert.
Wir passieren die knapp oberhalb des Leuchtturms gelegene Wanderherberge Refugio de Muleta, in der wir keine Schlafplätze mehr haben buchen konnten. Mit unserer Ausweichunterkunft in Port de Sóller waren wir aber sehr zufrieden und die Kinder haben den Tag am Meer sehr genossen. Ab hier beginnen wir auf der offiziellen Route des GR 221, dem Trockenmauerweg (mallorquinisch: Ruta de Pedra en Sec), zu gehen und wir biegen von der befestigten Straße auf einen steinigen Wanderpfad ein. Genau für diese Wege sind wir hier. Wir gewinnen schnell Höhenmeter und gehen durch unsere ersten Steinterrassen und vorbei an vielen Olivenhainen. Unter anderem auch den Olivenhain Muleta Gran, dessen Bäume bereits vor mehr als 800 Jahren geplanzt wurden. Die Kultivierung des Hinterlandes durch die Einführung des Ölbaums und die Errichtung von Steinterrassen für die Gewinnung von landwirtschaftlichen Flächen im steilem Gelände ist das Erbe der Besetzung der Insel ab 902 n. Chr. durch die Araber. Diese wurden erst durch die Rückeroberung der Insel durch König Jakob I. im Jahr 1229 n. Chr. zum Verlassen der Insel gezwungen.
Die Fauna wechselt ständig zwischen Wäldern mit hohen schattenspenden Bäumen und und Plantagen mit Oliven- und Mandelbäumen, in denen wir nur ungern im August wandern wollten. Wir werden auf unserer Wanderung noch erfahren, dass im Sommer bis zu 43 °C im Tramontanagebirge vorherrschen.
Wenn die Bäume Fernsicht zulassen, fällt uns der Gipfel des höchsten Berges der Insel, dem Puig Major de Torrella (1445 m), mit seinem aufgrund ihrer weißen Farbe weithin sichtbaren Radarstation auf. Unterhalb dieses Gipfels befindet sich der Stausee Embassament. Kurz darauf erreichen wir das Café Son Mico , das für seine Kuchen bekannt sein soll. Wir nutzen die Gelegenheit und genießen bei einer Tasse Café verschwinde typisch mallorquinische Kucken zusammen durch. Natürlich hat am Ende jeder einen anderen Favoriten.
Gestärkt und immer wieder positiv überrascht über die Abwechslungsreichheit der Landschaft und der Fauna bereits auf dieser ersten Etappe, brechen wir auf und treffen das Ehepaar, das am Vorabend am Nachbartisch saß und heute den geleichen Wanderweg in umgekehrter Richtung nimmt.
Der Aufstieg über das Tal des Torrent Major nach dem 1583 n. Chr. zuerst urkundlich erwähnten Deià fordert auf den letzten Metern der heutigen Etappe gerade den Kindern noch einmal letzte Ausdauer ab, das Ziel in Form der Pfarrkirche San Joan de Deià buchstäblich vor Augen. Diese befindet sich mit ihren Friedhof am höchsten Punkt, der Bucht von Deià zugewandten Ortsseite dieses auf Mallorca berühmten Künstlerdorfs: Der Mahler Pablo Picasso, die Literatin Laura Ruder und der Komponist Andrew Lloyd-Webber sollen sich hier niedergelassen haben. Wir machen uns auf den mit Steinen gedeckten Weg und über einige z. T. hohen Stufen hinauf zum Ortseingang.
Die geschlossene Kirche können wir leider nicht besuchen, statten dem Friedhof aber einen Besuch ab. Der Blick über das ganze Tal des Torrent Major bis zum Meer belohnt ganz sicher für die Mühen des Aufstiegs. Die Musik des Faschingsfestes im Dorf, die bereits weit vor Erreichen der Ortschaft nicht zu überhören war, begleitet uns weiterhin auf den Straßen durch dieses im Sommer so von Touristen überlaufene Bergdorf. Auch der Ortsnamen Deià wird, schon wie unser Ausgangsort, aus dem Arabischen abgeleitet und bedeutet „Dorf“ oder „Feld“.
Wir erreichen unsere Unterkunft, das Refugi Con Boi, in Randlage des Ortes bereits gegen 13:40 Uhr. Übrigens war dies die einzige Wanderherberge, in der wir noch 4 Betten buchen konnten: Also besser früher als später die Unterkünfte reservieren. Obwohl wir auf unserem Weg regelmäßig Wandere mit voller Zeltausrüstung sehen, erfahren wir in Refugio am Abend, dass, anders als auf dem GR 11 durch die Pyrenäen, Campen auf dem GR 221 verboten ist und mit Bußgeldern geahndet wird. Nachdem wir unsere Vorräte für den morgigen Tag auffüllen konnten, gönnen wir uns eine Tasse warmen Café im Bistro Villa Rullan, in dem wir sehr freundlich empfangen werden und lange sitzen bleiben. Wir genießen diesen schlicht gehaltenen Ort zum Wohlfühlen.
Abends ergibt sich noch die Gelegenheit die im Ort gekaufte Orange zu essen, um dann nach dem Abendessen in der Unterkunft enden zu lassen.
Das Gespräch mit der Leitung der Refugio hängt mir am Abend noch etwas nach: Neben den auch hier durch die einheimische Bevölkerung zunehmenden Spannungen mit legalen und illegalen geflüchteten Menschen kommen die vielen Touristen, die der Insel früher zumindest im Winter eine Pause gegönnt hatten: Immobilienpreise steigen, Wohnraum wir knapper, Restaurants sind ausgebucht und werden teurer und die Tourismusbranche macht Lobbyarbeit für (Bau-)Projekte, die den Tourismus weiter dienen sollen. Vielleicht ein Ort, an dem man irgendwann nicht mehr leben will?
DIE ZWEITE ETAPPE
Deiá – Valldemossa
Montag, 12.02.2024 – 15 km, ↑ 1000 m , ↓ 730 m,
unsere Gesamtzeit: 7:00 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Das Vögelzwitschern vorm Fenster unseres 4-Betten-Zimmers löst das Läuten des Weckers zum Glück sehr schnell ab. Acht Uhr ist eine humane Frühstückszeit und wir sind pünktlich am Start, um uns für den anstehenden Tag mit Café, Tee und Orangensaft sowie Schinken, Käse und Marmelade auf getostem Brot zu stärken. Die Rucksäcke sind anschließend routiniert schnell gepackt und wir sind gegen neun Uhr abmarschbereit.
Unser Weg, ist weiterhin einwandfrei gekennzeichnet. Wir fühlen uns nie unsicher, ob wir gerade auf dem richtigen Weg gehen. Unser Reisecomputer ist derzeit auch noch im Urlaub, außer dass er unsere Route, Laufkilometer und Höhenmeter notieren darf.
Der heutige Aufstieg kann sich das erste mal wirklich so nennen: es gilt fast 900 Meter Höhe zu erklimmen. Dabei laufen wir sehr oft auf sich in die Landschaft einfügenden Steinmauern, Serpentine nach Serpemtina bergauf. Wieder wechseln sich hohe Mischwälder mit Olivenhainen auf unserem Weg ab.
Dieses mal sehen wir einzige Mauern, die zusammengefallen sind, aber auch Arbeiter die die Wege frei von Verwuchs machen und deren Motorsäge uns die Baustelle früh ankündigen bzw. deren Geräusche uns danach noch länger verfolgen. Andere Arbeiter errichten in reiner Handarbeit die Mauern neu und bessern andere aus. Beton und Mörtel oder ein mechanisches Werkzeug kann man auf der Baustelle vergebens suchen: Die Außenseiten der Mauern werden mit den immer so gut anzuschauenden großen Steinen so gesetzt, dass nur kleine, unverhüllte Fugen bleiben. Der sich dahinter ergebende Hohlraum wird dann mit kleinerem Gestein und verfüllt. Eine Baustelle besteht deshalb nur aus einem Lagerplatz für große und einem zweiten für kleine Steine.
Wir gewinnen zunehmen an Höhe und können Son Marroig, das Herrenhaus des österreichischen Erzherzogs Ludwig Salvador mit seinem Pavillon aus weißem Marmor in der anlegenden kleinen Gartenanlage, an Küstenstraße Ma-10 erkennen. Er hat auch den Reiterweg auf dem Plateau anlegen lassen, auf das wir heute noch kommen werden. Folgt der Blick ein Stück der Straße von Valldemossa aus kommend, sieht man ebenfalls das Kloster Monestir de Miramar, das von König Jaume II im Jahr 1276 n. Chr. gegründet wurde, um Missionaren die arabische und hebräische Sprache sowie deren Denk- und Lebensweise näher zu bringen. Der Erzherzog Ludwig Salvador kaufte das Anwesen im 19 Jahrhundert, ließ Gärten und Aussichtspunkte anlegen und empfing dort bekannte Künstler, Schriftsteller und Philosophen, sowie die Österreicher Kaiserin Sisi. Auf unserem passieren wir hier oben Köhlerplätze und einen Backofen.
Als wir Abbruchkante des großen Gipfelplateaus erreichen, ist es nicht mehr weit. Der Wind weht von der See dafür kalt den Berg hinauf und, obwohl wir uns im bewaldeten Gelände befinden, kühlt der kalte Wind uns schnell aus. Nach einigen Hundert Metern der Geländekante folgend, warten jetzt aber noch einige sehr ausgesetzte und ungesicherte Wegstellen auf blankem Fels: Höhenangst ist jetzt kein guter Begleiter.
Dafür wird man gleich danach mit einem fast windstillen Pausenplatz in der wärmenden Sonne belohnt. Jetzt findet auch unsere „Sprengstoffgurke“ ihr Ende. Die Wolken rasen über die flache Geländekannte vor uns, wir können den Wind buchstäblich sehen. Der Blick in die gegenüberliegende Richtung geht dafür in die Weite. Wir überblicken, was wir bereits geschafft haben, da wir Deià unten im Tal und den Torre Picada in Port de Sóller weiter hinten an der Küste von hier oben gut erkennen können. Weil wir uns auf einer Insel befinden, werden alle Blick wie mit einem Bilderrahmen immer vom Blau des Meeres abgeschlossen.
Wir brechen wieder auf und stellen uns dem kalten, mit steifer Priese ins Gesicht wehenden Wind, nachdem wir unsere beim Aufstieg ausgezogenen Jacken wieder anziehen und auch die Mützen und das Schlauchtuch zusätzlich aus dem Rucksack holen. Jeder Schritt ist jetzt nicht nur ein Kampf um weitere Höhenmeter, er muss auch gegen einen sehr hohen Luftwiderstand gemacht werden. Es ist eine unwirkliche Situation und dabei ein wunderschönes Erlebnis der Naturkräfte.
Sehr bald flacht sich das jetzt fast baumlose Gelände ab und wir gehen über das Plateau hinauf zum Gipfel des Es Caragoli (944 m) , der der höchste Punkt unserer Reise werden wird. Mit dem Erreichen des Puig Gros (938 m) beginnt unser Abstieg und die abwechselnden Winde, die in einem Moment über das Plateau wehen, dann verstummen, um dann von den Steigungswinden vom Meer abgelöst zu werden, lassen uns zügig vorankommen.
Wir passieren das geschlossene Refugi de Son Moragues mit seinen 15 Schlafplätze (sowie ohne Strom und Wasser). Für den weiteren Abstieg über den Torrent d’Avall entscheiden wir uns dann gegen die Forststraße und für den GR 221, der uns von der Forststraße auf einen einfachen Wanderpfad führt, vorbei an Kalkbrennöven und Köhlerplätzen. Hier müssen wir auf einigen steilen, schluchtartigen Teilstücken mit losen steinigen Untergrund volle Konzentration beim Setzten jeden Schrittes und echte Trittsicherheit beweisen, bevor es anschließend wieder auf einem breiteren Weg durch flaches, bewaldetes Gelände zwischen großen herumliegenden Steinbrocken geht.
So erreichen wir das Bergdorf Valldemossa mit seinen malerischen, engen Gassen und historischen Gebäuden sowie der Pfarrkirche Sant Bartomeu. Im ehemaligen Kartäuserkloster, das am obersten Punkt der Altstadt thront, lebten und arbeiteten schon der Komponist Chopin mit der Schriftstellerin George Sand im Winter 1838/1839. Auch deshalb werden die ca. 2.100 Einwohner jedes Jahr von über einer Millionen Menschen besucht.
Wir belassen es mit einem gemütlichen Stadtbummel durch die engen Straßen des Ortes mit den Motivfliesen an jedem Hauseingang der Altstadt, nachdem wir unsere Unterkunft im Zentrum des Ortes bezogen haben, und beschließen den Tag mit einem wunderbaren Essen und einem schönen Familienabend im Restaurant Es Rosquisa Bar, unmittelbar gegenüber Chopins ehemaliger Wirkungsstätte.
DIE DRITTE ETAPPE
Valldemossa – Esporles
Dienstag, 13.02.2024 – 10,5 km, ↑ 475 m, ↓ 680 m,
unsere Gesamtzeit: ca. 4:30 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Der Sturm der vergangen Nacht, der unsere geöffneten Fensterläden gegen die Hauswand hat schlagen lassen, ist vorbei und die Taube in ihrem Nest im Baum vor unserem Fenster brütet weiterhin in aller Ruhe. Das morgendliche Treiben für die Vorbereitungen eines neuen Geschäftstages in der Hauptstraße der Innenstadt weckt mich: Das ist dann wohl der Preis für die so zentrale Lage unserer heutigen Unterkunft.
Wir stehen wieder erst gegen 8:00 Uhr auf, da mit der heutigen Etappe eine der kürzesten auf uns wartet. Frühstück gibt es gleich in der Panderia y Pasteleria gegenüber, in der man wahrscheinlich nur im Februar allein unter Einheimischen sitzen kann. Die Tische vor dem Eingang und im Hinterhof sind uns definitiv noch zu kalt um diese Uhrzeit. Unsere Vorräte vom Vortag reichen für heute noch aus, sodass wie diese hier nicht auffüllen müssen. Bis auf die beiden Bäckereien vor unserer Haustüre ist uns aber auch auf unserer Stadterkundung kein Lebensmittelladen in der Innenstadt aufgefallen (ohne im Internet danach gesucht zu haben).
Wir packen, räumen die Unterkunft und gehen erst gegen 10 Uhr zum Ausgangspunkt unserer heutigen Etappe. Das windstille und sonnige Wetter erlaubt jetzt das erste Mal, dass wir keine Jacke in der Früh anziehen. Dafür sind Sonnenhut und die Sonnencreme heute Pflicht. Hinter einem Parkplatz am Ortsrand beginnt der unscheinbare, aber wieder gut gekennzeichnete Wanderpfad, der uns schnell auf eine gute Höhe über Valldemossa bringt und damit eine wunderbare, freie Sicht auf das am Hang liegende Bergdorf freigibt. Wir verabschieden uns von dem Ort, der uns einige schöne Stunden am Vorabend geschenkt hat.
Jetzt geht es vorbei an Ruinen von Bauwerken, die uns schon die vergangenen Tage immer wieder aufgefallen sind: Überdachte, fensterlose Gebäude ohne hohe Wände, dafür mit um so dickeren Außenwänden und tiefen in den Boden gegrabenen Grundmauern. Wir vermuten, dass es sich um Schnee- oder Eisspeicher handelt, deren Funktion spätestens durch die Erfindung des Kühlschrankes überflüssig wurde. Schwer vorzustellen, dass Mallorca überhaupt so viel Eis oder Schnee hatte, um solche Speicher zu betreiben. Vielleicht schaffen wir es ja noch, dieses Fragezeichen in dieser Woche noch aufzuklären.
Was wir aber heute meistern, ist uns das erste Mal kurzzeitig zu verlaufen, da wir die Treppe aus großen Natursteinen an der Natursteinmauer und den Wegweiser dahinter im ersten Anlauf nicht sehen. Unser Umweg beschränkt sich aber zum Glück auf nur einige Minuten.
Auf dem Sa Comuna (707 m) angekommen, öffnet sich die freie Sicht über die südöstlichen Ausläufer des Tramontanagebirges hinweg auf die Kathedrale von Palma de Mallorca. Bereits gegen 11:30 Uhr nutzen wir hier oben die Gelegenheit für eine längere Pause, da der Blick Richtung Norden auf die Urbanització George Sand, die umliegenden Olivenbaum-Plantagen und das weitläufige Meer hinter dem zerklüfteten Felsenufer einfach dafür zu einladend ist. Über uns kreisen Greifvögel, die wir für Harbichadler halten und von denen viele Paare auf Mallorca leben. Am Vortag hatten wir uns bereits eingebildet, Mönchsgeier über uns gesehen zu haben. Unsere Tochter ist darüber hinaus willens, unbedingt auch noch einen Fischadler auf der Reise zu erspähen.
Da wir uns auf dieser Etappe durchgehend unterhalb der Baumgrenze aufhalten, laufen wir fast ausschließlich im Schatten der Bäume über moosbedeckte Steine, vorbei an Orchideen, die noch in ihrem Winterschlaf am Wegesrand stehen. Ein Warnschild macht uns darauf Aufmerksam, dass hier gejagt wird. Vermutlich ist dieses wohl für die Wanderer bestimmt, die mit ihrem Zelt unterwegs sind.
Das letzte Stück des Weges führt uns über eine breite Forststraße und anschließend über eine für unser Empfinden viel zu sehr befahrene Teerstraße nach Esporles , vorbei an wunderschönen Mandelbäumen in weißem und pinken Blütenkleid.
Bereits um 14:00 Uhr checken wir in unser Hotel direkt neben der örtlichen, die Stadt baulich überragenden Pfarrkirche, der Esglesia de Sant Pere d’Esporles, ein. Wir freuen uns auf dem Zimmer zu lesen, dass die Betreiber des Hotels versuchen, dieses möglichst nachhaltig zu führen und den Gast dazu auffordern, seinen Teil dazu beizutragen. Überhaupt gefällt uns das Hotel auffallend gut: Weiße Wände und Decken bilden den perfekten farblichen Kontrast für die dunkelbraunen Träger an den hohen Decken und für das dunkelbraune Mobiliar sowie die „unmoderne“ Dekoration und die alternativen Türschlösser.
Im Ort ist nicht viel los. Die Kinder der ca. 5.200 Einwohner scheinen im Kindergarten und Grundschule heute aber Fasching gefeiert zu haben, zumindest erlauben wir uns diesen Schluss aufgrund der Kostümierungen der Kinder, die im Ortszentrum mit ihren Freunden und Eltern spielen. Wir machen das Beste aus diesem frühen Feierabend und genießen den Rioja, der besonders gut schmeckt, wenn man diesen spanischen Wein zusammen mit spanischen Oliven mit Spanier*innen am Nachbartisch an der Hauptstraße eines spanischen Bergdorfs trinkt.
Nachdem wir die Vorräte für den morgigen Tag aufgefüllt haben, genießen wir die Paella zum Abendessen im Hotelrestaurant und gehen wieder nicht zu spät schlafen.
DIE VIERTE ETAPPE
Esporles – Banyalbufery – Estellencs
Mittwoch, 14.02.2024 : 16 km, ↓ 680 m, ↓ 690 m,
unsere Gesamtzeit: ca. 6:30 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Wo bin ich? Mit dieser Frage beginnt mein Tag. Wie immer auf unseren Fernwanderungen wache ich irgendwann einmal auf und muss zwei Sekunden darüber nachdenken, wo wir gerade Quartier bezogen haben.
Unser Frühstück haben wir für acht Uhr angemeldet. Heute ist Halbzeit auf unserer Reise. Die vierte Etappe verspricht mehr Kilometer, aber weniger Höhenmeter als gestern.
Um neun Uhr geht es los. Unsere Unterkunft befindet sich direkt an der Route des GR 221. Wir werden auch gleich von einer Gruppe junger Spanier überholt. Nach wenigen Minuten haben wir bereits die Straße des Ortes verlassen und befinden uns schon auf dem Wanderweg. Der erste Anstieg macht klar, dass uns auch heute nichts geschenkt wird: Es geht steil eine Steintreppe mit hohen Stufen hinauf. Bereits nach einigen Metern, befinden wir uns in Natur pur, umgeben von Feldern und Vögelgezwitscher von alles Seiten. Wie uns bereits gestern unter den Olivenplantagen aufgefallen war, wachsen auch hier auf den Felden bereits die junge Getreidepflanzen.
Der Weg führt eine ganze Weile neben MA-10, aber getrennt auf einem eigenen Fußweg. Dann geht es auf einem schattigen, mit großen Steinen gedeckten Wanderweg hinauf zum Puig de s‘Argenter (498 m) . Auf halber Höhe, werden auch die langen Hosenbeine in den Rucksack verbannt. Die Jacken und Longsleeves sind heute erst gar nicht zum Einsatz gekommen. Kurz vor Banyalbufar verät uns ein Wegweiser, dass wir auch eine Routenvariante ohne einen Besuch in diesem Küstenort gehen können.
Auf dem Abstieg in das im 10. Jahrhundert gegründete Banyalbufar , was von arabischen „Bau am Meee“ oder „Gründung des Meeres“ abgeleitet ist, kommen uns die ersten Mountainbiker entgegen. Aus unserer Perspektive schwimmt das Segelboote mit seinen eingerollten Segeln auf der windstillen See an den bunten Bienenstöcken auf den Steinterassen, während wir auf der betonierten Straße Richtung Ortskern schnell Wegekilometer machen und Höhenmeter verlieren. Wir sehen viele der rund 2.000 Terrassen, die ebenfalls im 10. Jahrhundert von den Mauren für den Weinbau angelegt wurden und deren Bewässerungssystem aus überall verlaufenden Kanälen und unzähligen Wasserbassins heute noch funktionsfähig sein soll. Die Bassins sind aber alle nur zu gut einem Drittel gefüllt. Die Winzer von Banyalbufar sollen heute noch das spanische Königshaus beliefern.
Durch enge Gassen mit zum Teil großzügigen Anwesen erreichen wir den Platz vorm Rathaus und stärken uns im Café Es Forn des Casino mit leckerem Kuchen. Im Inneren des Cafés entdecken wir einen Brunnen mit Zugang zu einem Wasserbassin direkt unter dem Gebäude. Die Verkäuferin im Postkarten-Laden schräg gegenüber erzählt uns von der Sorge ums Wasser und den für die Jahreszeit viel zu wenigen Niederschlag. Später am Abend erfahren wir von anderen Mitreisenden in unserer Unterkunft, dass es wohl schon seit drei Jahren nicht mehr richtig geregnet haben soll.
An der Pfarrkirche, der Esglesia de la Nativita de Maria aus dem 14. Jahrhundert, gehen wir vorbei und biegen nach einer langstreckten Rechtskurve der MA-10 links ab, um dem GR 221 wieder steil bergauf zu folgen. Schnell haben wir die weitere Wanderhöhe erreicht und gehen fast eben bis zur Font de s’Obi dahin. Auch an dieser Querlle ist kein Tropfen Wasser zu sehen und auch die zugehörige Tränke und das Wasserbassin verstauben und verfallen zusehens. Wir legen eine Pause im Schatten der Bäume ein. Das Gummi der Bergschuhe ist jetzt am 4 Tag weichgelaufen und der Rucksack perfekt eingestellt.
Nach Erreichen des Puig de na Foradada beginnen wir dem überwiegend sanften Abstieg nach Estellencs mit seinen ca. 340 Einwohnern und erreichen unsere sehr liebevoll eingerichtete Unterkunft, wo wir im Sonnenschein bei einer klarer Sicht über das wellenlose Meer eine Flasche mallorquinischen Merlot genießen können, da wir bereits gegen halbvier Uhr am Nachmittag eincheckt haben.
Der von den Bergen nahezu vollständig umschlossene und im Jahr 1422 erstmals urkundlich erwähnte Küstenort Estellencs, der bis zum Bau der MA-10 zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur über einen Mauleselpfad von Puigpunyentaus erreichbar war, schläft im Februar noch: Alle Restaurants und Cafés sind noch geschlossen. Der Glockenschlag der Pfarrkirche Sant Juan Baptista ist im ganzen Ort zu hören und begeleitet damit Chor aus bellenden Hunden, sowie blökendem Schafe und Ziegen, während die Hauskatze über Terrasse schleicht. Gestört wird das Konzert nur durch gelegentlich vorbeifahrende Motorräder oder Linienbusse.
Das Abendessen in unserer Unterkunft schmeckt hervorragend. Nachdem alle den Speiseraum verlassen haben, sitzen wir noch am Kamin mit offenem Feuer und lassen den Abend ausklingen. Wir legen noch ein Holzsscheit nach und bekommen sogar noch Kerzen an den Kamin gestellt, bevor das Licht im Aufenthaltsraum der Gäste gelöscht wird. In der Erwartung, dass morgen wohl eine der schönsten Etappen mit vielen Höhenmetern und der häufigen Ausschau nach wegweisenden Steinmännchen auf uns wartet, beenden wir den Tag.
DIE FÜNFTE ETAPPE
Estellencs – Ses Fontanelles
Donnerstag , 15.02.2024 – 14,5 km, ↑ 865 m, ↓ 715 m,
unsere Gesamtzeit: ca. 7:15 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Uns erwartet ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Frühstück und ein Lächeln der Wirtsleute, das den Besuch in Estellencs noch einmal abrundet.
Die Wolken, die den Himmel noch ergrauen ließen, hat der aufgekommene Wind aufgelöst, sodass wir unter blauen Himmel in den neuen Tag starten.
Der Aufstieg zur Refugio Cona d‘en Vida , die nur von Selbstversorgergruppen angemietet werden kann und scheinbar auch ein guter Platz zum Aufstellen eines Zeltes zu sein scheint, zieht sich und wartet mit einen knackigen Anstieg mit hohen Steiggraden auf den letzten 300 Höhenmetern auf uns. Wir gehen größtenteils Forststraßen und auf kurzen Teilabschnitten an der MA 10. Die Windstärke hat mittlerweile zugenommen, die beim Aufstieg nicht genutzte Jacke und Mütze kommen jetzt wieder zum Einsatz, als wir die Bänke vor dem Refugio für eine Pause nutzen und uns über ein einigermaßen windgeschütztes Fleckchen Erde freuen. Spätestens jetzt ist klar, dass wir uns heute mit dem Naturelement Wind ausgiebig auseinandersetzen werden müssen.
Vorbei an frisch angesäten Feldern unterhalb der Sierra des Pingotells, die zum Schutz vor den frei lebenden Ziegen eingezäunt sind, geht es auf der Forststraße weiter bergauf. Hier sehen wir auch für heute unsere erste Herde dieser frei lebensen Bergziegen, zu dieser Jahres häufig mit jungen Nachwuchs.
An der nächsten Weggabelung des GR 221 finden wir die Wegweiser nach Es Capdella bzw. nach La Trapa: La Trapa werden wir aber erst morgen erreichen. Dafür verlassen wir die Forststraße und folgen dem Wanderpfad mit hüfthohen Bewuchs, der uns unterhalb des Es Castellet (799 m) vorbeiführt. Der Weg ist gut zu finden, die Wegemarkierungen sehen wir allerdings immer sehr spät.
Wir halten uns auf dem rechten Pfad, als wir zu Aufzweigung des Weges unterhalb des Felsmassivs des Moleta de s‘Esclop (926 m) kommen und umrunden diesen mit an der zu See steil abfallenden Geländekante auf der auf der nördlichen Seite. Der Wind weht weiterhin stark und böig: Wir konzentrieren uns hier sicher durchzukommen. Die hier sich frei zu bewegenden Ziegen und Schafe neben unserem jetzt wieder steil aufsteigenden Wanderpfad lassen sich beim Fressen durch uns wenig stören.
Am Grad angekommen erreichen wir den höchsten Punkt der heutigen Etappe, hier trifft der Pfad zum Gipfel des Moleta de s‘Esclop auf unseren Fernwanderwanderweg, der für uns von hier an nur bergab führt. Wie nehmen uns etwas Zeit und genießen die Aussicht und die gute Fernsicht. Unser Ziel, Port d‘Andratx, ist das erste Mal auf unserer Reise gut zu erkennen. Die kurze Pause im starken Wind tut nach dem Aufstieg dennoch gut und bietet Gelegenheit etwas Wasser zu trinken.
Das Terrain wird nun rauer und ein eindeutiger Wanderpfad ist schwer auf der jetzt durchgängig grauen Gesteinsunterlage zu erkennen: große Steinplatten, von Wasser ausgespülte Steinrillen im Gestein und geröllartige loses Gestein bilden nun den Untergrund, gemeinsam mit wenig Bewuchs durch einzeln in den Gesteinsrillen wachsenden, niedrigen Pflanzen. Die Wegweiser, die so gut sichtbar angebracht sind, werden zur Wegemarkierung von Steinmännchen unterstützt. So gelangen wir zum Felsdurchbruch in rotem brüchigen Gestein, der uns auf ein kurzes Teilstück mit losem erdigen Untergrund unterhalb der Geländeabbruchkannte und entlang des Vorsprungs in der steil nach unten abfallenden Wand bring. Anschließend erreichen wir wieder flaches Terrain. Dort erwartet uns wieder hüfthoher Bewuchs mit hohen, einzeln stehenden Bäumen und ehemalig besiedelten Anwesen aus heute verfallenen Wohnhäusern und Brunnenanlagen. Im Gelände sind tiefe Felsspalten, an denen uns die Markierungen sicher vorbeileiten.
Wir können nur noch erahnen, wie es hier nach dem großflächigen Brand in 2013 ausgesehen hat, der die Vegetation auch hier oben größten Opfer der Flammen hat werden lassen.
Vor dem letzten Stück des Abstiegs machen wir noch eine längere Pause. Der Untergrund wird wieder anstrengender zu gehen: Loses Geröll und größeres Gefälle. Nachdem wir uns auf dem letzten Kilometer in sehr steil abfallenden Gelände mit imposanten Felsformationen über den hier serpentinenartig geführten Wanderpfad hinunter auf den Wanderweg gekämpft haben, sind wir froh, den Abzweig zu unsere heutigen Unterkunft, die Finca Ses Fontanelles , gefunden zu haben.
Hier ist es windstill und wärmer. Die Freunde, diese bisher im Bezug auf Trittsicherheit und Ausdauer mit anspruchsvollste Etappe gut gemeistert zu haben, überwiegt eindeutig gegenüber der Erschöpfung in den Beinen. Nach einem ersten Hinweis auf des Vermieters auf das Ausbleiben des Regens in den letzten drei Jahren und die sich absolute Wasserknappheit an diesem Ort, werden wir zu sehr kurzem Duschen und möglichst wassersparendem Verhalten aufgefordert. Wir beziehen die Zimmer und genießen ein vorzügliches Abendessen in kleiner Runde mit den anderen Gästen im Haus, nachdem wir die Route für unseren letzten Tag mit der für uns längsten Etappe kurz noch einmal durchgesprochen haben. Ein gelungener Geburtstag für unser Geburtstagskind.
DIE SECHSTE ETAPPE
Ses Fontanelles – Port d‘Adratx
Freitag, 16.02.2024 – 22 km, ↑ 825 m, ↓ 1.120 m,
unsere Gesamtzeit: ca. 8:45 Std.
WEGBESCHREIBUNG:
Nach dem exquisiten Abendeseen erwartet uns heute ein einfache und sättigendes Frühstück geneinsam mit den allen anderen Wanderern. Auf unsere Bitte wurde die sonst übliche Frühstückzeit von acht auf halbsieben Uhr vorverlegt. Schließlich haben wir heute eine lange Etappe vor uns.
Mit einem unmarkierter Weg, der auf halber Höhe zurück zur GR 221-Route abgeht, können wir eine kleine Abkürzung nehmen und sparen einige Höhenmeter. Auf dem nächstem Hügel haben wir das Funkloch, in dem sich unsere letzte Unterkunft befunden hat und das wir einem W-LAN-Zugang hätten stopfen können.
Die Wolken hängen tief und verhüllen die Gipfel der uns umliegenden Hügel, wie dem Puig des Avencs (515 m). Zunächst noch Seitenstraßen der MA-10 und der MA-10 selbst folgend, kommen wir an Weiden mit Schafen und Ziegen vorbei, auf denen diese mit ihren Lämmer und Zicklein zwischen Olivenbäumen grasen. Die Halsglocken lassen uns dir Präsents der Tiere auch nicht überhören.
Als wir weiter über angenehm breite Wanderwege aufsteigen, sehen wir den Adler aus dem Baumwipfel aufsteigen und ganze Gruppen von Tauben fliegen.
Teilstücke des Weges werden nun auch über Pfade mit dichtem Randbewuchs geführt. Wie befinden uns mittlerweile mitten in den Wolken, die sich abwechselnd, je nachdem auf welcher Seite des Bergkamms bewegen, bergauf oder bergab ziehen. Die Vegetation ist dankbar dafür, bedeutet der Nebel doch hohe Luftfeuchtigkeit, die sich an Pflanzen fängt und zum Teil als dicke Tropfen zu Erde fällt. Wir müssen aufpassen, nicht Gefahr laufen auszukühlen in der kalten und feuchten Luft, die uns teilweise jede Sicht weiter als 50 Meter nimmt. Eigentlich hätten uns hier schöne Blicke auf die größtenteils größtenteils steil abfallende Küstenlinie erwartet. Deshalb sparen wir uns auch den Abstecher vom Hauptweg zum spektakulär direkt an der steil zum Meer hin anfallenden Klippe gelegenen Aussichtspunkt Mirador Josep Sastre, den wir eigentlich eingeplant hatten zu besuchen. Dafür erreichen wir schnell Ruinen des um 1810 von einer Mönchsgemeinschaft errichtete Kloster La Trapa , in der wir eine Pause machen und die beim Frühstück eingepackten Äpfel essen. Der Leiter der Restaurationsarbeiten an den Trockensteinmauern auf diesem unter besonderen Schutz gestellten Gelände erklärt uns freundlich auf Deutsch, dass er gerade auf die nächste Gruppe freiwilliger, aus den unterschiedlichsten Nationen stammendenden Helfer wartet, die ihn für drei Tage bei seiner Arbeit unterstützen wird und der Kenntnisse im Trockensteinmauerbau vermitteln will. Gleichzeitig muss er sich über die Müllhintetkassenschaften der Besucher ärgern, die sich auch heute von Sant Elm in größerer Zahl hier herauf für eine kleine Wanderung auf den Weg machen und über deren Schuhwerk sich sogar unsere Kinder wundern. Diese Begegnung ist wieder eine der Gelegenheiten, bei der wir merken, dass unsere Kinder als einzige junge GR-Wanderer auf unserer Wanderung positiv auffallen und von den Menschen freundlich angesprochen werde. Den Aussichtspunkt Mirador de la Trapa lassen wir aufgrund der widrigen Sichtverhältnisse heute ebenfalls ausfallen.
Wir können im weitern Wegverlauf das erste Mal die der Küste vorgelagerten Insel mit den Parc natural de Sa Dragonera sehen, deren Anblick uns, je nach der aktuell vorherrschender Wolkendichte mehr oder weniger, möglich ist. Der festlandseitigen Wachturm Torre de Cala en Basset sowie den gegenüberliegenden inselseitigen, spektakulär über der steil anfallenden Kippe thronenden Leuchtturm Far de Trampntana gehen im Nebel unter.
Der Abstieg zum im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnten Fischerdorf Sant Elm mit seinem etwa 180 Meter langen Sandstrand und hervorragendem Tauch- und Schnorchelrevier geht nicht ohne den Einsatz der Hände in rauen und ausgesetzten Gelände. Ein Wanderpfad bringt uns auf den zur breiten Forststraße ausgebauten Weg durch die den Ort umgebenden Wälder. Dort legen wir eine ausgiebigere Pause ein und kommen bei einem Mittagessen in einem Bistro auf der Hauptgeschäftsstraße des Orte zu Kräften, die wir auf dem letzten Stück brauchen werden.
Über den Pas Vernell (286 m) steigen wir auf zur Forststraße, die unter dem Gipfel des Puig d‘en Ric (319 m) weiter dem Bergrücken folgend bis nach Port d‘Andratx
führt. Wir bekommen das erste Mal auf dieser Tour einige wenige, nicht weiter nennenswerte Regentropfen an. Im Stadtteil Montport, einer der guten Lagen zum Wohnen in der Hafenstadt mit natürlicher Bucht und dem Leuchtturm, dem Far de Port d’Andratx, an dem nördlichen Ufer der Hafeneinfahrt. Wir gehen den steilen, vom Mountainbikern und Motorcross-Motorrädern ausgefahrenen Pfad, um uns das Gehen auf den asphaltierten Serpentinen ersparen, soweit möglich, zu können. Nach wenigen Kurven unten in der Stadt erreichen wir die Hafenpromenade und den Hafen mit seinen Segelbooten, den Motorjachten und den Fischerbooten, die gerade die frisch gefangene Ware löschen. Dann geht es vorbei ab unzähligen Cafés, Bistros, Bars und Restaurants.
Wir werden erwartet von unserer Freundin, die seit vielen hier lebt und uns nach dem Abendessen in einem mallorquinischen, weitab jeglichen Tourismus gelegenen Restaurant bis früh morgens mit in das Nachtleben von Port d‘Andratx nimmt, in dem sich um diese Jahreszeit noch die mallorquinischen Einwohner aufhalten. Der Sonnenuntergang über der Hafenausfahrt in die Bucht Cal en Fonol verabschiedet uns dann endgültig am Abend des nächsten Tages, da es dann am Morgen des Folgetages zurück zum Flughafen und nach Deutschland geht.
Eine wunderschöne Reise mit vielen neuen Eindrücken vom Meer und den Bergen aus dem Tramontanagebirge auf der Baleareninsel Mallorca geht vorbei. Unsere Kinder mit ihren 12 und 14 Jahren haben uns Eltern wieder einmal stolz gemacht und diesen sonst nur von Erwachsenen gegangenen Fernwanderweg bei jeder Wetterlage oder Geländesituation und bei bereits großer Erschöpfung am Ende der Etappe gut gemeistert. Den Geschmack der frischen Orangen nehmen wir mit nach Hause. Vielen Dank, Sigi, für den wunderbaren Abschluss unseres Mallorcaaufenthalts.
Mir bleibt aber auch die Erfahrung von den negativen Folgen von Tourismus und Klimawandel vor Ort berichtet zu bekommen: Massentourismus sowie Land- und Immobilienverkäufe an Wohlhabende vertreibt die einheimische Bevölkerung aus den Städten, weil sie nicht mehr Wohnraum oder einen Platz im Café um die Ecke finden können. Der Wassermangel mit Folgen für die (Land-)Wirtschaft und die Versorgung der Menschen, bildhaft zu sehen an ausgetrocknete Quellen, lehren Brunnen und im Frühling nur spärlich gefüllte Wasserreservoirs, wird verursacht durch geringe bis ausbleibende Niederschläge und den sich ständig erhöhten Wasserverbrauch durch Bau- und Tourismusindustrie. Mit der Kompensation unseres CO2-Verbrauchs beim Fliegen durch eine Unterstützung der Aktion Zukunft+ haben wir versucht, zumindest unseren kleinen Teil beizutragen.
Ein neues Wanderabenteuer kann kommen, unsere Fragezeichen werden wir sicher mitnehmen!